Fahrplan für Machtwechsel gesucht
Komitee soll ägyptische Verfassung überarbeiten / Massen fordern weiter Mubaraks Rücktritt
Kairo (Agenturen/ND). Mubarak bildete ein elfköpfiges Komitee aus Richtern und Juristen, das in den nächsten Wochen die ägyptische Verfassung überarbeiten soll. Die Mitglieder des Komitees gelten weitgehend als unabhängig und glaubwürdig. Es geht um drei Punkte: Die Bedingungen für eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl sollen gelockert werden, um auch Oppositionsvertretern die Bewerbung zu ermöglichen. Zweitens soll die Amtszeit des Präsidenten beschränkt werden. Drittens will die Opposition eine bessere Kontrolle der Wahlen durch die Justiz in der Verfassung festschreiben. Einige Oppositionelle plädieren außerdem für ausländische Wahlbeobachter.
Vizepräsident Omar Suleiman sagte im Staatsfernsehen, derzeit werde ein Fahrplan für einen friedlichen Machtwechsel mit einem festen Zeitplan erarbeitet. Mubarak habe außerdem versprochen, dass es keine Strafverfolgung der Demonstranten geben werde.
Die Massenproteste gegen Mubarak gingen am Dienstag in die dritte Woche. Am Nachmittag strömten erneut Zehntausende Menschen zu einer Großdemonstration gegen das Regime auf den Tahrir-Platz in Kairo und verstärkten die Reihen der dort seit Tagen Campierenden. Auch in anderen Landesteilen dauerten die Proteste an. Die Demonstranten halten weiter an ihrer Forderung nach Rücktritt Mubaraks fest.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn befürwortete die Idee, Mubarak vorübergehend in Deutschland aufzunehmen. »Das sollte man tun, wenn es notwendig ist«, sagte er dem »Tagesspiegel« mit Blick auf Spekulationen über eine medizinische Behandlung Mubaraks in Deutschland.
Während die Muslimbruderschaft den Rücktritt des seit fast 30 Jahren herrschenden Staatschefs verlangt, sprechen sich andere Teile der Opposition dafür aus, dass Mubarak bis zur nächsten regulären Präsidentschaftswahl im September im Amt bleibt.
Mindestens 297 Menschen sind nach Angaben von Human Rights Watch bei den Protesten in Ägypten ums Leben gekommen. Wie die Organisation am Dienstag berichtete, wurden die meisten Opfer am 28. und 29. Januar bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet. Die Organisation konnte 232 Tote in Kairo, 52 in Alexandria und 13 in Suez bestätigen.
Der Totalausfall der Touristen infolge der Unruhen hat schlimme Folgen: An den Ausflugszielen der Kairo-Reisenden verhungern Tiere der Touristenführer, die keine Einnahmen mehr haben. Bei den Pyramiden von Gizeh verendeten Pferde, deren Haltern das Geld für Futter ausgegangen sei, hieß es.
Derweil will Israel seine geplante Grenzanlage zu Ägypten schneller bauen als ursprünglich geplant. Die mehr als 200 Kilometer lange Grenze soll bereits bis Ende 2012 verstärkt werden, über ein halbes Jahr früher als vorgesehen.
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