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Berichten unter Lebensgefahr?
Sayed Yaqub Ibrahimi über die Lage der Medien in Afghanistan / Der 30-jährige Reporter arbeitet für das britische »Institute for War and Peace Reporting« (IWPR)
ND: Sie haben im Norden Afghanistans genauso wie in Kabul und anderen Regionen des Landes recherchiert. Welche Probleme haben Reporter in Afghanistan?
Sayed Yaqub Ibrahimi: Die Situation für Journalisten ist ausgesprochen schwierig, denn aus meiner Erfahrung kontrollieren drei Gruppen den Informationsfluss: die Warlords, die für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich sind, die im Westen ausgebildeten korrupten Technokraten und die fundamentalistischen Islamisten. Die Warlords unterdrücken die freie Meinungsäußerung und die journalistische Recherche, weil sie genau wissen, dass dadurch ihre Kriegsverbrechen zu Tage gefördert werden. Mit jedem Bericht würde das Risiko steigen, dass sie vor internationalen Gerichten für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Technokraten fürchten, dass die Medien aufdecken könnten, dass sie korrupt sind. Und das Problem mit den Fundamentalisten ist, dass die freie Meinungsäußerung mit ihrer islamistischen Ideologie nicht vereinbar ist. Freie Meinungsäußerung ist aus ihrer Sicht ein Einfallstor für die Säkularisierung der afghanischen Gesellschaft.
Wie nehmen diese Gruppen Einfluss auf die Berichterstattung?
Sie haben eine rote Linie gezogen. Wenn man Informationen publik macht, die die Interessen dieser drei Gruppen tangieren, sieht man sich schnell einer Fülle von Problemen gegenüber – Drohungen, Gefängnis, Anschläge.
Gibt es denn überhaupt Möglichkeiten, über diese Strukturen zu berichten?
In Afghanistan gibt es eine Menge Selbstzensur in den Medien. Man weiß genau, wenn man diesen oder jenen Artikel über diesen oder jenen Kriegsverbrecher veröffentlicht, dann hat das dieses oder jenes zur Folge. Da wird sehr genau abgewogen, die Redaktionen sind übervorsichtig und reißen sich nicht gerade darum, derartige Themen aufzugreifen. Aber es gibt auch Journalisten, die wie ich für internationale Medien arbeiten, die regelmäßig berichten, die nicht locker lassen.
Woher nehmen Sie die Energie, trotz aller Hürden weiterzumachen? Schließlich hat man Ihren Bruder verhaftet und gefoltert und Sie verließen nach zahlreichen Morddrohungen das Land.
Mein Bruder ist frei, lebt im Ausland und erholt sich langsam wieder. Ich bin der Meinung, dass er an meiner Stelle angegriffen wurde und froh, dass er jetzt in Sicherheit ist. Ich arbeite seit 2001 als Journalist. Damals gab es einen Umbruch, die Taliban waren geschlagen, es roch nach einem Neuanfang und damals gab es viele Möglichkeiten, als Journalist zu arbeiten, sich durch Workshops und Seminare zu qualifizieren. Da habe ich begonnen, über Kriegsverbrechen zu recherchieren, von denen ich schon als Kind Zeuge wurde, in Kabul und Masar-i-Scharif, wo ich aufwuchs. Gerechtigkeit ist die Grundlage für die Zukunft meines Landes und dafür engagiere ich mich.
Vor einigen Monaten haben Sie den Leipziger Medienpreis für Verdienste um Meinungs- und Pressefreiheit erhalten. Welche Bedeutung haben derartige Preise für Journalisten in Afghanistan?
Ich habe den Preis stellvertretend für alle Journalisten in Afghanistan entgegengenommen, die unter den Bedingungen im Lande leiden. Derartige Preise sind ein Beispiel für die internationale Solidarität mit den Kollegen in Afghanistan. Wenn die internationale Medienorganisationen ihre Solidarität intensivieren würden, dann wäre uns schon sehr geholfen – wir brauchen eine bessere, hintergründige Berichterstattung über mein Land – im In- und im Ausland.
Interview: Knut Henkel
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