Zivilgesellschaft wird verbeamtet

Sachsen strickt Extremismusklausel um

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsens CDU-Innenminister hat die umstrittene Extremismusklausel umformuliert. Auch die Neufassung stößt aber auf juristische Einwände; Demokratie-Initiativen lehnen sie ab.

Markus Ulbig will Demokratie-Initiativen doch nicht verpflichten, für die Verfassungstreue ihrer Partner zu bürgen und dazu Erkundigungen beim Verfassungsschutz einzuholen. Einen solchen Passus in der Extremismusklausel, die künftig Voraussetzung für die Zahlung von Fördergeldern sein soll, hat Sachsens CDU-Innenminister nach geharnischter Kritik geändert. Allerdings sollen Projekte sich auch der Neufassung zufolge nicht nur selbst zum Grundgesetz bekennen; sie haben vielmehr auch »dafür Sorge zu tragen«, dass Partner es ihnen gleichtun. Diese Neufassung wollen Ulbig und FDP-Justizminister Jürgen Martens nun dem Kabinett in Dresden vorlegen.

Mit der Korrektur reagiert Ulbig auf Einwände unter anderem des Rechtswissenschaftlers Ulrich Battis. Dieser hält die Aufforderung zur Ausforschung für verfassungswidrig; auch sei unklar, welche Überprüfungen die Vereine in welcher Form vornehmen sollten. Doch auch gegen die von Ulbig vorgelegte Neufassung werden nun umgehend Einwände geäußert. Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen verweist auf ein Gutachten, des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Darin wird grundsätzlich bezweifelt, ob von den Zuwendungsempfängern ein schriftliches Bekenntnis zur Verfassungstreue verlangt werden kann. Treuebekundungen dürfe der Staat nur bei Einbürgerungen und »im Rahmen eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses« verlangen, etwa von Beamten. Halte der Freistaat dennoch an der Klausel fest, sagt Grit Hanneforth ironisch, »könnte der Eindruck aufkommen, er bereite die Verbeamtung der Zivilgesellschaft vor«.

Auch LINKE, Grüne und SPD im Landtag weisen Ulbigs Vorschlag einer »Extremismuserklärung 2.0« zurück. Eine gemeinsame Erklärung ist überschrieben: »Das war wohl nichts!«. Die Neufassung sei »unsinnig, untauglich und rechtlich zweifelhaft« wie die erste Version. Ulbig habe eine »schlechte Erklärung verschlimmbessert«, sagt Miro Jennerjahn (Grüne) und verweist auf Ulbigs Eingeständnis, bisher seien in Sachsen keine extremistischen Initiativen gefördert worden: »Mit der Sorge, dass dies geschehen könnte, wurde die Klausel aber begründet.«

Jenseits der juristischen Bedenken machen Initiativen wie das Kulturbüro auch praktische Einwände geltend. Der Dresdner Verein berät unter anderem Kommunen im Umgang mit Rechtsextremismus. Bürgermeister seien anfangs nicht immer aufgeschlossen, sagt Hanneforth: »Wenn ich sie nun zuerst ein Bekenntnis zum Grundgesetz unterschreiben lassen muss, macht es das nicht leichter.« In ihren Förderbescheiden wird Hanneforth indes vermutlich sogar mit zwei Klauseln konfrontiert: Der Bund hält bislang an der ursprünglichen Fassung fest.

Daran hat auch der Donnerstag nichts geändert, an dem der Bundestag zwei Anträge von SPD und Grünen sowie der LINKEN behandelte. In beiden wird gefordert, auf die »Bestätigungserklärung« zu verzichten. Die Opposition sieht gerade im Wirken der betroffenen Initiativen den Nachweis ihres Einsatzes für Demokratie, wie den Anträgen zu entnehmen ist.

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