Mexikos gespaltener Aufschwung
Vor allem der Exportsektor wächst / Bei den Armen kommt wenig an
Auf dem Zócalo, dem zentralen Platz von Mexiko-Stadt, warten an der mächtigen Kathedrale Handwerker auf Arbeit. Jeden Morgen versammeln sich hier einige Dutzend Männer mit Werkzeugtaschen. Auf ihren Schildern prangen Worte wie »Plomero« (Klempner) oder »Albañil« (Maurer).
Arbeit suchend sind nach wie vor viele Mexikaner – trotz der guten Konjunkturdaten, die die Regierung vermeldet. Mehr als fünf Prozent Wachstum waren es 2010 – so stark ist die Wirtschaft der zweitwichtigsten Ökonomie Lateinamerikas schon lange nicht mehr gewachsen. Allerdings hat sie noch nicht wieder das Niveau von vor der Krise erreicht; 2009 schloss Mexikos Wirtschaftsminister das Jahr mit einem Minus von 6,1 Prozent ab.
Für 2011 sind die Prognosen der Regierung von Felipe Calderón optimistisch. Mit 3,9 Prozent Wachstum wird gerechnet, doch vieles hängt davon ab, ob die Konjunktur beim großen Nachbar wieder anspringt. Trotz eines Binnenmarktes mit rund einhundert Millionen Menschen tut sich Mexikos Wirtschaft ohne die Nachfrage aus den USA schwer zu wachsen, denn rund 80 Prozent der Exporte gehen dorthin. So wurden im vergangenen Jahr rund 1,8 Millionen Autos für den US-Markt in Mexiko montiert, während der wichtige Wirtschaftssektor im Inland wenig absetzen konnte. Um 20 Prozent lag der Absatz unter dem von 2009.
Dies weist auf ein Grundproblem hin: die fehlende Kaufkraft. Dies bestätigt auch eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), laut der Mexiko nicht imstande ist, nachhaltiges Wachstum zu erzielen, und die Arbeitsproduktivität der Konkurrenz hinterherhinke. Mexiko ist weit entfernt von der wirtschaftlichen Dynamik Brasiliens, der Lokomotive Lateinamerikas. Als eine Ursache dafür gilt die Bildungspolitik. In der Folge sind innovative Unternehmen in Mexiko nicht gerade breit gestreut. Auch trägt die Armutsbekämpfungspolitik der Regierung wenig Früchte. Rund 50 Millionen Mexikaner, knapp die Hälfte der Bevölkerung, gelten als arm. Unter der absoluten Armutsschwelle leben zudem 19 Millionen Mexikaner, deren Einkommen nicht einmal zur Deckung der Grundbedürfnisse reichen.
Im Jahr 2010 wurden in der formellen Wirtschaft mehr als 700 000 Jobs geschaffen, der höchste Wert seit zehn Jahren. Doch viele dieser Jobs sind schlecht bezahlt und bieten nur eingeschränkte Perspektiven. Gerade die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist ein Problem und auch eine der Ursachen für die prekäre Sicherheitslage, wie Wissenschaftler des mexikanischen Instituts für Jugend argumentieren. Demnach sieht sich jeder Zweite der 20 Millionen Mexikaner zwischen 15 und 24 Jahren Problemen bei der Arbeitsuche gegenüber. Darüber hinaus ist auch das Investitionsklima alles andere als positiv. Nicht nur aus dem Ausland kommt weniger Kapital nach Mexiko, auch die kleinen und mittleren Unternehmen halten sich bei Investitionen merklich zurück.
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