Babysingen gegen Mitgliederschwund
Chöre in Mecklenburg-Vorpommern kämpfen mit Nachwuchsproblemen
Rostock. »Im Chor singen bringt Freude und Spaß ins Leben. Man kann Frust abbauen und ist in einem Verein gebunden. Es ist ein Lebenselixier«, schwärmt der Vizepräsident des Chorverbands Mecklenburg-Vorpommern, Horst Riemann. Doch diese Botschaft gerät immer mehr in den Hintergrund. Auch die Chöre bleiben vom demografischen Wandel nicht verschont. Nach der Wende habe der Verband 140 Mitgliedschöre gehabt, heute seien es noch 113. Riemann geht davon aus, dass landesweit nur noch etwa 5000 Menschen in Chören singen.
Vor allem bleibt der Nachwuchs aus, wie Riemann in einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa sagte. Er berichtete von einer schwierigen Nachwuchsarbeit. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass in den Familien Wert auf Musik gelegt wird. Auch die Schulen hätten sich noch nicht ausreichend auf Veränderungen eingestellt. »Die Jugendlichen würden schon gerne singen, aber moderne Musik.« Da sei das Angebot noch zu klein. Es sei schwierig, Jugendliche, die bislang noch keinen Kontakt zu Chören hatten, für das Chorsingen zu begeistern. »Man muss im Kindergarten anfangen«, sagte Riemann. Vor zwei Jahren habe der Verband deshalb begonnen, Kindergartenchöre aufzubauen. Inzwischen gebe es landesweit 15 Kita-Chöre. »Die Kinder fangen unter Gitarrenbegleitung mit Kinderliedern an.«
Einer der ganz wenigen Chöre mit moderner Musik im Repertoire ist der Rostocker »Popchorn«. Zehn Männer und 35 Frauen hat Chorleiter und Musiklehrer Frank Genkinger um sich gesammelt. »Wir singen alles aus dem Pop- und Rock-Bereich«, sagte er und betont, dass er sich durchaus noch die eine oder andere zusätzliche Männerstimme im Chor vorstellen könnte. Notenkenntnis sei vorteilhaft, aber nicht zwingend, hält er die Ansprüche an Interessenten auf niedrigem Level.
Für viele Chöre haben sich laut Riemann Konzerte oder auch Konzertreisen zu einem echten Problem entwickelt. Ursache seien fehlende Gelder. Früher habe es von Gemeinden oder Sozialverbänden Zuschüsse gegeben. »Heute wird auch kein Bus mehr gestellt.« Zudem seien wegen der Überalterung die Mitglieder nicht mehr bereit, lange Fahrten zu unternehmen. Eine Folge davon sei, dass noch weniger Werbung betrieben werden kann, denn Konzerte seien ein wichtiger Träger der Botschaft »Mitsingen«.
Christiane Werbs, Leiterin der Warnemünder Kantorei, geht einen neuen Weg: »Babysingen« für Ein- bis Dreijährige und deren Eltern. »Wenn man mit den Kindern singt, hören sie zu und bekommen ein Gefühl für Rhythmus.« Außerdem, fügte sie hinzu, sollten alle Eltern mit ihren Kindern singen – das sei die beste Nachwuchsarbeit.
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