Werbung

Thümlers Parallelwelt

Niedersachsens CDU-Fraktionschef gibt Verbrauchern die Schuld für Massentierhaltung

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Enge Ställe und schlimme Zustände in Geflügelbetrieben beschäftigen nicht selten den niedersächsischen Landtag. Nun scheint der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Björn Thümler, die wahren Schuldigen für das Tier-Elend gefunden zu haben: die Verbraucher!

Würden die Verbraucher mehr Geld für gute Nahrung ausgeben, gäbe es die oft kritisierten Bedingungen in der Massentierhaltung nicht, sagt Björn Thümler, CDU-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag. Auf der einen Seite beklagten die Kunden die Bilder aus den großen Ställen, »anderseits schreien sie nach günstigen Lebensmitteln«, erklärte Thümler jetzt in Hannover.

3,22 Euro pro Tag

Dem CDU-Fraktionschef fällt es gewiss nicht schwer, das von ihm propagierte Einkaufsverhalten zu praktizieren. Vielleicht tut er das in Sitzungspausen in Hannovers Markthalle. Nahe dem Landtag steht sie, wird gern von Schlemmern zum Edel-Schmaus nebst Champagner aufgesucht und beherbergt viele Stände mit hochwertigen Fleischwaren, Obst und Gemüse – und gehobenen Preisen. Nicht zugegen ist hier ein Großteil der Verbraucher, die Thümler wegen des Griffs zum Billigfleisch rügt. Aber auch sie sind nicht weit entfernt vom Landtag zu finden: auf den Fluren der Arbeitsagentur.

Offenbar sind Thümler die dort Sitzenden und ihre Sorgen nicht vertraut.

»Er lebt in einer Parallelwelt der Besserverdienenden«, sagt der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Hans-Henning Adler. Der CDU-Chef bekomme gar nicht mit, dass es zehntausende Menschen gibt, die jeden Cent beim Einkauf zweimal umdrehen müssen. »Der Gipfel ist, dass Thümlers Partei einerseits eine ordentliche Erhöhung der Hartz IV-Sätze ablehnt und andererseits solche Aussagen macht.« In den Regelsätzen sind 3,22 Euro pro Tag an Essen für Kinder veranschlagt, erklärt Adler. »Wie sollen Eltern da gesunde und tiergerecht erzeugte Lebensmittel bezahlen können?«

Für tiergerechte Haltung und gesunde Nahrungsmittelproduktion müsse die Politik sorgen, betont der agrarpolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Christian Meyer, im ND-Gespräch. »In puncto Massentierhaltung darf der Schwarze Peter nicht den Verbrauchern zugeschoben werden, wie es Thümler tut.«

»Herrn Thümlers Aussage ist einfach nur zynisch«, erklärte der Sprecher des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) in Niedersachsen, Christian Hoffmann. »Viele Menschen haben aufgrund ihrer geringen Budgets gar nicht die Möglichkeit, teurere Lebensmittel zu kaufen.« Ein Umsteuern in der Tierhaltung sei nötig, aber: »Es muss dafür gesorgt werden, dass die Verbraucher genug Geld haben, um sich gesunde und gesund produzierte Nahrung leisten zu können.« Es fehlten, so Hoffmann, zum Beispiel ein deutlich höherer Hartz IV-Satz und ein gesetzlicher Mindestlohn.

Verantwortung der Politik

»Weiß der Mann überhaupt, wie viele Menschen in Deutschland sich Bio-Nahrung gar nicht leisten können?«, fragt Anna Veit von der Initiativen gegen Arbeitslosigkeit und Armut. Regelsatzerhöhung oder eine Grundsicherung für alle – das seien Ziele, für die sich die politische Ebene engagieren müsse, anstatt unsinnige Reden zu schwingen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.