In Hessen wird aufgerüstet

Broschüre der Linksfraktion listet Bundeswehrstandorte und Waffenproduzenten

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil die Rolle Hessens als bedeutender Rüstungsstandort zu wenig bekannt sei, hat die dortige Linksfraktion jetzt einen »Rüstungsatlas Hessen« herausgegeben.

25 hessische Bundeswehrstützpunkte und ihre Bedeutung für Auslandseinsätze listet die Broschüre, weiterhin Einrichtungen der US Army und Industriebetriebe. So beherberge allein Kassel mit Waffenschmieden wie Krauss-Maffei-Wegmann und Rheinmetall Landsysteme die Hälfte der hessischen Rüstungsproduktion. Aus diesen Betrieben stammen Granatwerferwaffen und Splittermunition ebenso wie Schützenpanzer. Da die Branche mit 5000 Menschen nur 0,17 Prozent aller hessischen Erwerbstätigen beschäftige, sei eine »sozialverträgliche Konversion von Rüstungsgütern in zivile Produkte« im Rahmen eines umfassenden Konversionsprogramms »gesellschaftlich verkraftbar«, erklärte der Autor und Friedensaktivist Lühr Henken bei der Vorstellung der Broschüre in Wiesbaden.

Unter den hessischen Bundeswehrstandorten steche Stadtallendorf hervor, das den Stab der Division Spezielle Operationen (DSO) beherberge. Deren Motto laute »einsatzbereit – jederzeit – weltweit«. Die DSO stelle seit 2002 Soldaten für die ISAF in Afghanistan ab und umfasse Einheiten wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) sowie zwei Luftlandebrigaden. Den Kern der im nordhessischen Fritzlar angesiedelten Luftbeweglichen Brigade bilde ein Kampfhubschrauberregiment, das der Aufstandsbekämpfung diene. Auch andere Bundeswehreinheiten aus dem nördlichen Hessen seien am Krieg in Afghanistan beteiligt, so Henken.

»Zu einem bevorzugten Anlaufpunkt für die Antikriegsbewegung« werde wohl das Europa-Hauptquartier des US-Heeres, das in Wiesbaden-Erbenheim entstehe, sagt Henken. Ab 2012 sollen von dort aus 25 000 US-Soldaten für weltweite Militäreinsätze befehligt. Aber der Friedensaktivist hat noch zwei weitere »bundesweite Unikate« in Hessen als Ziele für künftige Protestaktionen ausfindig gemacht. Da Deutschland drittgrößter Rüstungsexporteur sei, könne das in Eschborn bei Frankfurt ansässige Bundesausfuhramt eine Adresse für die Forderung nach einem Exportstopp werden. Die Frankfurter Commerzbank sei »als einzige Bank Mitglied im Förderkreis Deutsches Heer«. Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Klaus-Peter Müller wolle deutsche Spitzenmanager »näher an die Bundeswehr und an Fragen der Sicherheitspolitik heranführen«, wie Henken zitiert.

In den aktuellen Ereignissen in Nordafrika und im Nahen Osten erkennt der Fraktionsvorsitzende Willi van Ooyen eine »neue Brisanz von Rüstungsexport und skandalösen Militär- und Polizeihilfen für Folterregime und Despoten«. Er bekräftigte die Forderung nach Konversion und nicht-militärischen Konfliktlösungen sowie die Einstellung von Rüstungsexporten. Angesichts drastischer Kürzungsprogramme sei die Parole »Abrüstung statt Sozialabbau« aktueller denn je.

Hessens Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) hat unterdessen seine für April geplante Reise nach Saudi-Arabien abgesagt. Dies meldete der Hessische Rundfunk am Freitag. Ende letzter Woche hatte ihn die Linksfraktion öffentlich gefragt, ob er an seinen ursprünglichen Reiseplänen festhalte und welche Gesprächspartner er in Saudi-Arabien, Libyen, Marokko und Algerien treffen wolle.

Ein wichtiger Umschlagplatz im internationalen Waffenhandel ist dem »Spiegel« zufolge ganz Deutschland. Zwischen den Jahren 2005 und 2009 nutzten 63 Länder die Bundesrepublik als Transitstation für ihre Rüstungsgeschäfte, berichtete das Magazin und berief sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken von den LINKEN.

Insgesamt erteilten die deutschen Behörden dem Bericht zufolge 1046 Genehmigungen für den Transit von Kriegswaffen. Der Zoll habe in dem genannten Zeitraum außerdem 54 illegale Lieferungen mit zusammen mehr als 6800 Schuss- und Kriegswaffen beschlagnahmt.

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