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Im Kampfbund gegen Hitler
Fred Bruder beleuchtet den antifaschistischen Widerstand in der Gegend von Königs Wusterhausen
Fritz Machler aus Eichwalde war SA-Mann, sein Bruder Kurt gehörte der NSDAP an. Doch sie änderten ihre Einstellung. Fritz äußerte sich abfällig über Hitler, wurde deswegen im November 1934 misshandelt und aus der SA ausgestoßen. Den Bruder schloss die NSDAP wegen »Interesselosigkeit« aus. 1940 schraubten die Brüder heimlich das Schild eines SA-Sturmlokals in der Eichwalder Bahnhofstraße ab. Außerdem entfernten sie eine Bekanntmachungstafel der NSDAP und schafften sie auf den Müllabladeplatz. In Berliner Arbeitervierteln brachten die Machlers selbst verfasste Flugblätter an. Dabei wurden sie am 15. August 1941 in der Kreuzberger Naunynstraße beobachtet und kurz darauf verhaftet. Kurt wurde hingerichtet, Fritz in die Psychiatrie eingeliefert.
Zwei Schriften über die Anfangsphase der Naziherrschaft beziehungsweise über die Vorkriegszeit in der Gegend von Königs Wusterhausen hatte der Regionalforscher Fred Bruder bereits veröffentlicht. Im dritten Teil widmet er sich nun dem antifaschistischen Widerstand in den Jahren 1939 bis 1945. Er überlegt gegenwärtig, einen vierten Teil über die Nachkriegszeit nachzulegen. Fred Bruder hat in Archiven gestöbert, mit Zeitzeugen gesprochen und bei Stadtverwaltungen nachgefragt, um den Schicksalen von Widerstandskämpfern nachzuspüren. In den Fußnoten dankt er immer wieder Ortschronisten und anderen Regionalforschern, die ihm mit Hinweisen geholfen haben. Gut, dass es solche Menschen gibt, die ihre Freizeit opfern, um die Heimatgeschichte zu beleuchten, denn die Historiker beschränken sich in der Regel auf die herausragenden Ereignisse. Eine zusammenhängende und so lange Darstellung der Nazizeit im Raum Königs Wusterhausen habe es vorher nicht gegeben, sagt Fred Bruder.
Er fand heraus, dass der kommunistische Widerstand auch in der Gegend von Königs Wusterhausen in den ersten beiden Jahren des Zweiten Weltkriegs erlahmt war. Zwar gab es Genossen, die unvermindert gegen die Nazis kämpfen wollten. Doch der Hitler-Stalin-Abkommen hatte die KPD geschwächt. Die deutschen Kommunisten hätten nicht im Traum daran geglaubt, dass die Sowjetunion einen solchen Nichtangriffsvertrag mit dem Nazideutschland aushandeln würde. Sie waren irritiert. Viele hielten Stalin nun für einen Verräter und zogen sich zurück. Illegale Strukturen mussten zum Teil neu aufgebaut werden. Erst als die Nazis die Sowjetunion überfielen, waren die Fronten wieder klar und der kommunistische Widerstand erhielt Zulauf.
Im »Kampfbund gegen Hitler« engagierte sich ab 1942 Otto Grabowski. Er arbeitete seit 1937 im Wildauer Schwartzkopff-Werk, sammelte dort Beiträge ein, verbreitete die KPD-Zeitung »Rote Fahne« und Flugschriften. 1943 wurde der Kampfbund vom Reichssicherheitshauptamt enttarnt. Grabowski wurde am 21. Mai festgenommen und schließlich zum Tode verurteilt. Vergeblich stellte Ehefrau Edith ein Gnadengesuch. Grabowskis Arbeitskollege Wilhelm Hampel sammelte im Werk noch Unterschriften für den Mann in der Todeszelle. Die Kreisverwaltung der Deutsche Arbeitsfront (DAF) erhielt davon Kenntnis und enthob Hampel seines Postens als DAF-Zellenwart.
Die Niederlage in Stalingrad ließ selbst Menschen wie August Barsch »am Sieg der deutschen Waffen« zweifeln. Der NSDAP-Bürgermeister von Gussow hörte die Kriegsberichterstattung von Radio London und vertraute sich dem Ortsbauernführer Oskar Bauer an. Der denunzierte ihn und stieg daraufhin selbst zum Bürgermeister auf. Barsch erhielt wegen Hörens von Feindsendern, defätistischer Äußerungen und Wehrkraftzersetzung die Todesstrafe.
Dieses Ende teilte er mit Gerta Stimming aus Miersdorf. Sie bewohnte ein Haus mit Ofen im Erdgeschoss. Die Etage darüber wurde durch einen Lüftungsschacht mit beheizt. Durch diesen Schacht hörte der Untermieter das Tonzeichen des Londoner Rundfunks und schwärzte die 54-jährige Witwe an, die als überzeugte Christin den Krieg ablehnte. Vor der Hinrichtung am 11. August 1944 schrieb Gerta Stimming in ihrem Abschiedbrief an die Verwandten: »Tretet mein Erbe würdig an, seid friedlich und vertragt euch ... ich bin tapfer bis zum letzten Augenblick.«
Ein eigenes Kapitel widmet Bruder jenen Menschen, die in der berühmten Widerstandsorganisation von Anton Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein mitwirkten. Dazu gehörte der Metallarbeiter Willi Paarmann aus Schulzendorf. Er war Sozialdemokrat gewesen. Doch seine Tochter Erna hatte den Kommunisten Herbert Kraft geheiratet und dieser aktivierte den Schwiegervater für den Widerstand. In Krafts Wohnung traf Willi Paarmann kurz vor Weihnachten 1943 mit Saefkow und Jacob zusammen. Später holte er in Berlin illegale Druckschriften ab und sorgte für die Verteilung in Betrieben. Spitzel der Nazis bei der AEG in Wildau deckten die Widerstandsaktivitäten auf. Willi Paarmann bezahlte seinen Mut am 13. November 1944 im Zuchthaus Brandenburg mit dem Leben.
Noch am 24. April 1945 erschoss die SS in Wernsdorf Johannes Paucka. Kurz zuvor hatte er unter Mithilfe von Richard und Ilse Grubitz sowie Ernst Walz die Sprengladungen an der Wernsdorfer Schleuse unschädlich gemacht und so die Zerstörung der Schleusenbrücke vor den anrückenden sowjetischen Streitkräften verhindert. Früh am Morgen ging Paucka rüber zur Roten Armee, um sie über die Stellungen der SS-Einheiten in Wernsdorf zu informieren. Auf dem Weg zurück traf ihn ein Schuss in die Stirn.
Fred Bruder: »Zwischen Widerstand und Selbstbehauptung. Die Region Königs Wusterhausen im Krieg 1939 bis 1945«, für 5 Euro zu bestellen bei: Die LINKE Dahme-Spreewald, Erich Kästner Straße 12 in 15711 Königs Wusterhausen, Tel.: (03375) 29 36 21
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