Kampf um Inflationsausgleich

Boliviens Regierung und Gewerkschaften streiten über Lohnsteigerungen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Boliviens Linksregierung kämpft weiter mit den Auswirkungen gestiegener Lebenshaltungskosten.

Vergangene Woche hatte die »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) die Gehälter im öffentlichen Dienst um zehn Prozent angehoben. Der gesetzliche Mindestlohn wurde gar um zwanzig Prozent auf 815,40 Bolivianos (82,50 Euro) hochgeschraubt. Dennoch provoziert Dekret Nr. 809 bei Gewerkschaften und auf Unternehmerseite Proteste. Die mit zwei Millionen Mitgliedern mächtigste Gewerkschaft »Arbeiterzentrale Boliviens« (COB) zeigte sich »überrascht«, so der COB-Präsident Pedro Montes, da die Regierung am Verhandlungstisch »nicht den Mut hatte, diese Prozentzahlen zu nennen«. Seine Organisation will mehr. Im Raum steht die Mindestlohnforderung von 839 Bolivianos (rund 84 Euro). Der beschlossene Inflationsausgleich, den die Regierung auf Grundlage des »Preisindexes für Verbraucherpreise« (IPC) der letzten zwölf Monate auf zehn Prozent veranschlagt, reiche angesichts kurzfristig gestiegener Preise für einige Grundnahrungsmittel zwischen 20 bis 30 Prozent und erhöhter Transportkosten im Nahverkehr nicht aus. Auch der größte Lehrerverband des Neun-Millionen-Andenlandes in der Hauptstadt La Paz lehnte die Lohnerhöhung als »lächerlich« ab.

Nach einer eilig einberufenen Generalversammlung kündigte die COB-Führung Protestmaßnahmen nach den Karnevalsfeierlichkeiten an. Bedingung für neue Gespräche sei die »Annullierung von Dekret Nr. 809«, so Montes. Reden wolle man allein mit Präsident Evo Morales, er könne nicht »an den Gewerkschaften vorbei regieren«.

Arbeitsminister Félix Rojas wies die Kritik als »unberechtigt« zurück. Nach einem zwei Wochen zurückliegenden 24-stündigen Streik der COB gegen die seit Jahresbeginn in die Höhe gegangenen Lebensmittelpreise hatte sich die Linksregierung mit der Gewerkschaft an einen Tisch gesetzt. Preissteigerungen auf dem Weltmarkt für Nahrungsmittel, schlechte Ernte nach Dürren und Überschwemmungen 2010 und Konflikte mit dem konservativen Agrobusiness im Tiefland hatten die Preise für Zucker, Öl, Reis und Mehl drastisch in die Höhe schnellen lassen.

In den Gesprächen sei nie über Mindestlohn gesprochen worden, sagt auch Rojas. »Wir haben über keine Zahlen geredet, sondern allein um die Höhe des Familien-Warenkorbes«, wunderte sich der Arbeitsminister. Auf Grundlage der »canasta familiar« hätten die Ministerien die Lohnerhöhungen berechnet, der neue Mindestlohn decke die grundlegenden Lebenshaltungskosten.

Auch das Gehalt für Krankenhauspersonal, Lehrer, Polizei und Streitkräfte steigt um zehn Prozent. Für die Angestellten anderer Sektoren des öffentlichen Dienstes in Staatsbetrieben, Behörden und Verwaltung kündigte La Paz die Verabschiedung einer »weiteren Norm zu gegebenem Zeitpunkt« an.

Der Staat ist in dem Andenland traditionell größter Arbeitgeber, 287 963 Menschen erhielten 2010 ihren Lohn aus Steuergeldern. Dekret Nr. 809 fordert auch zu Lohnverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf. Eine Erhöhung um zehn Prozent hat »obligatorischen Charakter«. Damit stößt der MAS auch bei den Unternehmern auf Widerstand. Die Maßnahme erhöhe die Inflation und werde zu Entlassungen führen, äußerte sich der »Verband Privater Unternehmer Boliviens« (CEPB). Um dies zu verhindern, kündigte das Arbeitsministerium »permanente Kontrollen« an.

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