Migranten beenden Hungerstreik
Griechenlands Regierung setzt Abschiebung der Gastarbeiter aus
Die Gesichter sind hager, die Augen eingefallen, aber sie leuchten und der Jubel ist groß: Mit der Aussicht auf Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die knapp 300 seit 44 Tagen streikenden Einwanderer ging am Mittwoch der größte Hungerstreik von Migranten in der Geschichte Griechenlands zu Ende.
Die 286 Männer meist nordafrikanischer Herkunft wollten mit ihrem Hungerstreik in Athen und Thessaloniki gegen ihre drohende Abschiebung protestieren. Die ist nun auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Die Regierung sagte allen Hungerstreikenden zunächst eine auf sechs Monate befristete Duldung zu, die verlängert werden kann. Alle bereits länger im Lande lebenden Migranten sollen zudem einen Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis stellen können. Danach werde von Fall zu Fall geprüft, ob aus humanitären Gründen die Aufenthaltsdauer, die notwendig zum Erhalt einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung ist, von zwölf auf acht Jahre gesenkt werden kann.
»Das menschliche Leben ist für die Regierung unbezahlbar und unverhandelbar«, erklärte Gesundheitsminister Andreas Loverdos das Nachgeben der Regierung und bot allen Hungerstreikenden die Verlegung in ein Krankenhaus an. Etwa ein Drittel der nach 44 Tagen mit Dehydration, Herzrhythmusstörungen und Nierenversagen kämpfenden Hungerstreikenden befinden sich ohnehin bereits in Kliniken. Nach Angaben der sie begleitenden Ärzte hing ihr Leben zuletzt »am seidenen Faden«. In den nächsten Tagen sollen alle Betroffenen in Athen und Thessaloniki unter ärztlicher Betreuung langsam wieder an eine Nahrungsaufnahme gewöhnt werden.
»Unser Sieg ist ein Sieg für die gesamte Arbeiterklasse«, verkündete Abdul Haci im Namen der Hungerstreikenden und kündigte an, man werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass alle im Lande lebenden Arbeitsmigranten legalisiert werden. Haci dankte allen, die sich in Griechenland und im Ausland für die Migranten eingesetzt haben – »besonders den Ärzten, die uns 24 Stunden am Tag begleiteten«.
Der Massenhungerstreik hatte national wie international großes Aufsehen erregt. Beinahe täglich waren den Hungerstreikenden Solidaritätsbotschaften von Gewerkschaften, Parteien und Organisationen, Künstlern, Intellektuellen und anderen Persönlichkeiten zugegangen. Eine griechische »Initiative der Solidarität« hatte den Kampf begleitet und unter anderem fast täglich Pressekonferenzen organisiert. Während die Linksallianz SYRIZA den Kompromiss begrüßte, den die Regierung »in letzter Minute« angeboten hatte, wurde »das Nachgeben« von der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia scharf kritisiert. »Mit dieser beispiellosen und die griechische Gemeinschaft erniedrigenden Entscheidung hat sich die Regierung Papandreou der Erpressung durch illegale Migranten gebeugt«, erklärte deren parlamentarischer Sprecher Giannis Michelakis. Er warf der Regierung vor, »Nebenwege zur Legalisierung« der »Illegalen« einzuschlagen.
Die Männer gehören zu den rund 150.000 Gastarbeitern in Griechenland, die infolge der Krise ihre Arbeit und damit auch ihre Papiere verloren haben. In Griechenland ist die Aufenthaltsgenehmigung an die Zahlung von Sozialbeiträgen gebunden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.