Ein Schreck für die Heuschrecke

Dresden will Woba-Käuferin verklagen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Stadt Dresden will das Unternehmen verklagen, das 2006 alle kommunalen Wohnungen erwarb. Die Firma soll Regelungen zum Mieterschutz verletzt haben. Der Betrag, um den es geht, ist höher als der Kaufpreis.

Der Schlag wurde lange vorbereitet und wird jetzt schnell geführt: Noch vor dem Monatsende will die Stadt Dresden das Immobilienunternehmen Gagfah verklagen. Bei der Firma handelt es sich um eine Tochter des US-Kapitalfonds Fortress. Diese sogenannte Heuschrecke hatte im April 2006 die städtische Wohnungsgesellschaft Woba mit 47 000 Wohnungen gekauft – eine Privatisierung, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Mit dem Kaufpreis von 981 Millionen Euro konnte die Stadt auf einen Schlag alle ihre Schulden tilgen.

Vorkaufsrecht ausgehebelt

Folgt der Stadtrat am kommenden Donnerstag der Verwaltung, soll die Gagfah auf eine Summe verklagt werden, die höher als der Kaufpreis liegt: Dem Vernehmen nach geht es um 1,06 Milliarden Euro. Diese soll die Gagfah zahlen, weil sie gegen die zum Schutz der Mieter vereinbarte Sozialcharta verstoßen haben soll. Darin ist unter anderem geregelt, dass vor dem Weiterverkauf von Gebäuden die Mieter ein Vorkaufsrecht für ihre Wohnungen eingeräumt bekommen, die ihnen zu einem reduzierten Preis angeboten werden müssen. Die »Andienungspflicht« müssen auch Käufer der Häuser übernehmen.

Die Gagfah hat die Vorgaben nach Ansicht des Rathauses missachtet – nach Angaben der »Sächsischen Zeitung« bei mindestens 74 von 167 Verkäufen. Obwohl die Klage über Monate im Geheimen vorbereitet wurde und Stadträte erst jetzt informiert wurden, scheinen die Argumente sie zu überzeugen: Der Finanzausschuss votierte am Montag ohne Gegenstimme für eine Klage. Die Beweise, heißt es, seien schlüssig; gestritten werden dürfte nur über die Höhe des Schadenersatzes.

Aktie im rasanten Fall

Die Gagfah widerspricht; sie sei »überzeugt, dass sie die Verpflichtungen aus der Privatisierung eingehalten hat«, hieß es in einer Ad-hoc-Meldung des börsennotierten Unternehmens. Die Anleger beruhigen indes weder diese Beteuerung noch Meldungen, wonach die Gagfah mit Verwaltung und Fraktionen über eine außergerichtliche Einigung verhandelt und zweistellige Millionenbeträge geboten haben soll. Das Papier verlor binnen Monatsfrist 22 Prozent; allein gestern rutschte es bis zum Nachmittag von 6,75 Euro auf 6,40 Euro.

Im Gegensatz zu den Aktionären sollen die Gagfah-Mieter in Dresden von der Klage profitieren. Das fordert jedenfalls die LINKE. Eventuelle Erlöse sollten in den sozialen Wohnungsbau fließen, verlangt Fraktionschef André Schollbach, der auch die Rückübertragung »relevanter Wohnungsbestände« von der Gagfah an die Stadt ins Spiel bringt. Scharfe Kritik übt er derweil an der Rathausspitze. Die hatte im Sommer 2010 in einem Bericht an den Stadtrat mitgeteilt, es gebe keine Verstöße gegen die Sozialcharta, obwohl ihr damals, wie mittlerweile klar ist, bereits gegenteilige Informationen vorlagen. Der Stadtrat sei »wissentlich falsch informiert« worden, sagt Schollbach. »Das wird Konsequenzen haben.«

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