Rechte Parolen gegen Flüchtlinge
Italienische und französische Extremisten machen auf und mit Lampedusa Wahlkampf
Von Wolf H. Wagner, Florenz
Vertreter rechter Parteien machen Stimmung gegen die aus Nordafrika kommenden Migranten. Dazu reisen sie gern ins italienische Lampedusa.
Dramatische Szenen spielten sich Anfang der Woche auf der italienischen Insel Lampedusa ab. Neue Boote mit Flüchtlingen landeten an der kleinen Mittelmeerinsel an, allein in einer Nacht strandeten 595 Nordafrikaner. Unter Tränen berichteten sie, dass ein Boot, eine Nussschale mit 45 Personen an Bord, gekentert sei. Die meisten der Flüchtlinge konnten nicht schwimmen, nur fünf Männer konnten von den anderen Booten gerettet werden. Vor der Küste hatte die Marine zudem zwei Boote in Seenot aufgebracht. Wie die Küstenwache mitteilte, seien noch etliche weitere Flüchtlinge von der nordafrikanischen Küste gestartet.
Insgesamt sind allein in den letzten 24 Stunden 1600 Menschen auf Lampedusa angekommen. In den Auffanglagern befinden sich derzeit 2800 Personen, damit hat die Kapazität ihre Grenzen weit überschritten. Eigentlich ist nur Platz für 800 Menschen. Die hygienischen und Versorgungszustände sind katastrophal. Die örtlichen Behörden versuchen, die Migranten so bald wie möglich in weiteren Sammellagern im Süden Italiens unterzubringen. Doch auch in den Provinzen Siziliens und Süditaliens sind die Möglichkeiten erschöpft.
Diese dramatische Situation wird nun von Rechtspopulisten für ihre politischen Zwecke missbraucht. Am Montag besuchte die neue Chefin der Front National, der Rechtsaußenpartei Frankreichs, Marine Le Pen, in Begleitung des italienischen Lega-Nord-Europaparlamentariers Mario Borghezio Lampedusa. Frau Le Pen rief den Flüchtlingen zu: »Für euch ist die EU geschlossen!«. Den Behörden Italiens schlug die Tochter des »Gründungsvaters« der französischen Rechten, Jean-Marie Le Pen, vor, Wasser und Nahrung zu den Booten auf das offene Meer zu bringen, statt die Migranten auf Lampedusa oder an anderen Orten anlanden zu lassen. Gegen Le Pen und Borghezio demonstrierten Bewohner Lampedusas gemeinsam mit den Migranten.
Bereits zu Zeiten, als noch Jean-Marie Le Pen die Front National führte, waren sich Frankreichs und Italiens Rechte einig, gegen die »Wirtschaftsflüchtlinge« aus Afrika vorzugehen. Lega Nord und die Bewegung für Autonomie (MPA) stellen auf Lampedusa die Ortsadministration, Bürgermeister Dino de Rubeis musste sich bereits für seine Fremdenfeindlichkeit vor Gericht verantworten. Mit der Aussage, »Schwarzes Fleisch stinkt, auch wenn es gewaschen ist«, machte er Schlagzeilen in der internationalen Presse. Zum gestrigen 150. Jubiläum Italiens, in diesem Jahr nationaler Feiertag, waren die Flaggen auf Lampedusa auf Halbmast gesetzt. De Rubeis: »Für uns ist heute kein Festtag, sondern ein Kampftag. Die Flüchtlingssituation bringt unsere über 300 Touristikunternehmer in arge Schwierigkeiten. Und Rom hilft uns nicht.«
Einen harten Kurs gegen die Flüchtlinge fährt auch der italienische Innenminister Roberto Maroni (ebenfalls Lega Nord). Auf sein Geheiß hin wurde am Dienstag eine mit 1800 Passagieren besetzte Fähre am Einlaufen im Hafen Augusta gehindert. Die »Mistral Express« war von der marokkanischen Regierung gechartert worden, um Landsleute aus den umkämpften libyschen Gebieten zu evakuieren. An Bord der Fähre sind 1715 Marokkaner, 39 Libyer, 35 Algerier sowie 47 Personen aus weiteren afrikanischen Staaten. Nach Angaben des Innenministeriums hätte sich das Schiff nicht ordnungsgemäß identifiziert. Gegenwärtig wird die Fähre von einer Korvette der Kriegsmarine in internationalen Gewässern überwacht, Maroni hatte angeordnet, dass sich das Schiff nicht in den italienischen Gewässern bewegen darf. An Bord der Fähren gehen nun die Nahrungsmittel aus.
Kritiker der gegenwärtigen Migrationspolitik der Mitte-Rechts-Regierung weisen darauf hin, dass der Inneminister die katastrophale Lage in Japan sowie die angespannte Situation in der arabischen Welt nutzt, um unbeachtet von Medien und Öffentlichkeit einen härteren Kurs gegen die Flüchtlinge zu fahren. Humanitäre Organisationen wie Emergency oder auch das italienische Rote Kreuz sprechen bereits von Menschenrechtsverletzungen.
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