Kein Promille Gentechnik
Aufweichung der »Nulltoleranz« bei Saatgutimporten im Bundesrat abgeschmettert
Die Form des Antrags hatte ihrem Inhalt entsprochen: Er suchte nach einer Hintertür – und nur auf Umwegen kam er überhaupt auf die Agenda. Zunächst hatte Bayern einen Antrag zum Umgang mit Gen-Verunreinigungen gestellt: Schutz von Bauern, die ohne ihr Wissen verunreinigtes Saatgut ausgebracht haben; Haftung derer, die es einführen oder in Umlauf bringen – nicht einmal die Linkspartei hatte daran Kritik. Und so wurde es gestern dann auch beschlossen.
Darüber hinaus stellten aber Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein einen winzigen Änderungsantrag: Demnach sei die »Bundesregierung zu bitten, (…) im Wege der Ausgestaltung einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift eine für alle Wirtschaftsbeteiligten praktikable technische Lösung für die Nulltoleranz bei Saatgut baldmöglichst zu definieren«. Eine solche »Lösung« hatte Brüssel – mit der deutschen Stimme – gerade erst bei Futtermittelimporten vorgeführt: Ein Promille Gen-Verunreinigung sei nahe an der »Nachweisgrenze« und tolerabel, entschied vor drei Wochen der zuständige EU-Ausschuss.
Dieser Änderungsantrag im Bundesrat wurde nun aber deutlich abgelehnt. »Die schwarz-gelben Länder haben vergeblich versucht, die Verunreinigung von Saatgut zu legalisieren«, freut sich nicht nur die Linksfraktions-Agrarexperin Kirsten Tackmann. Erfreut zeigten sich auch Verbände wie der BUND oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die in den letzten Tagen bundesweit gegen den Vorstoß protestiert hatten. »Wir müssen nun aufpassen, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung durch eine Änderung des Gentechnikgesetzes nicht einen zweiten Anlauf unternimmt«, warnt indes Tackmann. »Speziell der gentechnikfreundlichen FDP ist die Nulltoleranz schon seit Langem ein Dorn im Auge.«
Offiziell steht die Bundesregierung für die »Nulltoleranz«. Was dies aber konkret bedeutet, mag sie nicht recht sagen, wie die Antwort auf eine Anfrage Tackmanns zeigt. Man prüfe gemeinsam mit den Ländern, »welchen Spielraum das europäische Recht für nationale Lösungen im Wege einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift lässt«, heißt es da kryptisch und dürr.
Auch die schwarz-gelben Antragsländer haben sich defensiv und technokratisch gegeben und um eine ähnliche Sprachregelung bemüht wie die Bundesregierung. Eisern beharrten Stuttgart und Hannover auf der Darstellung, es gehe lediglich um die Zukunft und nicht das Ende der »Nulltoleranz«.
Auf Bundesebene klingt die Union da mitunter ganz anders: Die Einführung einer technischen Lösung, eines Grenzwertes von 0,1 Prozent, sei »nur ein erster, nicht konsequenter Zwischenschritt«, erklärte nach der Brüsseler Entscheidung Franz-Josef Holzenkamp, Agrarexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Verein mit dem Unions-Berichterstatter für Gentechnik, Max Lehmer. Ziel müsse »grundsätzlich die Beendigung der Nulltoleranzpolitik der EU und die ehrliche Festlegung von Schwellenwerten für GVO sein«.
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