Zu schwach zum Wechseln
Sachsen-Anhalt: SPD sondiert nur mit CDU / Gallert bleibt Chef
Nicht einmal ein Anschein von Offenheit nach allen Seiten wird gewahrt: Nachdem der Vorstand und die Kreisvorsitzenden der SPD in Sachsen-Anhalt in einem Magdeburger Theater eine Stunde lang die Wahl vom Sonntag ausgewertet hatten, boten sie Sondierungsgespräche lediglich der CDU an. Man gehe davon aus, dass diese »mit uns ernsthafte Gespräche führen will«, kommentierte Landeschefin Katrin Budde die einstimmige Entscheidung. Nachdem die CDU das bislang von ihrem Spitzenkandidaten Reiner Haseloff nur mündlich unterbreitete Angebot im Landesvorstand gestern Abend formal bestätigt hat, soll die Sondierung am Freitag stattfinden. Nächsten Montag will die SPD dann entscheiden, ob es zu Koalitionsverhandlungen kommt oder weitere Sondierungen nötig sind.
Reden können hätten die Sozialdemokraten auch mit der LINKEN; deren Vorstand hatte ebenfalls am Montag ein Angebot zu Sondierungen unterbreitet. Dass es aufgegriffen wird, ist aber unwahrscheinlich: Die SPD ist dafür schlicht zu schwach. Sie hatte trotz hoher Erwartungen am Sonntag mit 21,5 Prozent nur marginal besser abgeschnitten als 2006 und liegt, was der entscheidende Punkt ist, zwei Prozentpunkte hinter der LINKEN. Die Wahl eines linken Ministerpräsidenten aber hatten die SPD-Spitzen vor und nach der Wahl ausgeschlossen. Wulf Gallert wiederum, der den Posten für die LINKE erobern wollte, denkt nicht daran, in dieser Sache klein beizugeben. Die in Magdeburg gelegentlich kolportierte Variante einer Art Zählgemeinschaft von SPD und Grünen mit dem Ziel, Bullerjahn in einer rot-rot-grünen Koalition zum Chef zu küren, gilt als pure Spekulation.
So läuft alles auf eine Neuauflage von Rot-Schwarz hinaus – obwohl die SPD dafür vermutlich bei einigen ihrer Wahlkampfversprechen zurückstecken muss. Zwar bekräftigte Budde jetzt: »Uns geht es um Inhalte.« Geworben hatte die SPD aber – wie die LINKE – für längeres gemeinsames Lernen, ein Landes-Vergabegesetz und die Rückkehr zum Anspruch auf Ganztagsbetreuung aller Kinder. Auch wenn ihr Spitzenkandidat Jens Bullerjahn die CDU auffordert, auf Kompromisse hinzuarbeiten, ist höchst unwahrscheinlich, dass die Union in allen diesen Punkten nachgibt – in den zurückliegenden fünf Jahren hat sie dazu kaum Bereitschaft erkennen lassen. Dass zur CDU-Wahlparty am Sonntag der meiste Applaus aufbrandete, als klar war, dass die SPD auf dem dritten Platz hinter der LINKEN lag, hat Gründe: Gemessen an den eigenen Aussagen, war für die SPD die Tür zu Rot-Rot damit zugeschlagen. Wirklich hart können deren Emissäre nun nicht mehr verhandeln.
Dabei drängt die SPD nicht nur auf inhaltliches Entgegenkommen, sondern auch auf Posten: Bullerjahn hatte zeitig das Kultusressort gefordert. Zu welchem Preis es zu haben wäre, ist eine spannende Frage. Der scheidende CDU-Regierungschef Wolfgang Böhmer sagte einem Radiosender, Kultus- und Finanzressort dürften nicht an eine Partei gehen. Das Finanzministerium führte bislang mit Herz und Seele – Bullerjahn.
Für das Tauziehen um einen Koalitionsvertrag gibt sich die SPD drei Wochen Zeit; für den 16. April ist ein Parteitag angesetzt, auf dem das Papier beschlossen werden könnte. Am 19. April soll sich der Landtag konstituieren. Bis spätestens 3. Mai muss laut Verfassung der Ministerpräsident gekürt sein.
Während die Regierungsbildung erst ganz am Anfang ist, formieren sich die Fraktionen im Landtag im Eiltempo. Die 29 LINKE-Abgeordneten trafen sich gestern erstmals und wählten Wulf Gallert einstimmig zum erneuten Fraktionschef. Auch die SPD-Fraktion konstituierte sich gestern. Katrin Budde wurde mit den Stimmen von 25 der 26 Abgeordneten ebenfalls als Vorsitzende wiedergewählt. Die in den Landtag zurückgekehrten Grünen berieten gestern erstmals, wählen aber erst nächste Woche. In der CDU-Fraktion soll heute Haseloff zum Chef gekürt werden. Führen würde er das Amt allerdings nur, bis er neuer Ministerpräsident ist.
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