Haarscharf

Lutz Rathenow ist neuer Landesbeauftragter für Stasi-Unterlagen in Sachsen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 2 Min.

Das bekannteste Buch von Lutz Rathenow trägt den Titel »Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet«. Erschienen ist es vor 31 Jahren. Gestern im Dresdner Landtag konnte einem die Titelzeile in den Sinn kommen. Nach einem peinlichen Auswahlverfahren stand Rathenow dort zur Wahl als Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, und nachdem der 58-jährige Schriftsteller bei seiner im Eiltempo vollzogenen Vorstellungsrunde in den Fraktionen einen schwachen Eindruck hinterlassen hatte, musste mit dem Schlimmsten gerechnet werden: Rathenow drohte, wie vor Jahren schon einmal Angelika Barbe, durchzufallen.

Es hat dann gerade so gereicht für den Mann, den eine Zeitung als »Strippenzieher der Revolution« in der DDR bezeichnet und der Gedichte, Kinderbücher und Kolumnen schreibt: 67 Abgeordnete von CDU und FDP wählten ihn – haarscharf die nötige Mehrheit. Fünf Stimmen der Koalition fehlten.

Rathenow, der 1977 in Jena einen Arbeitskreis für Literatur und Lyrik gründete, umgehend von der Staatsmacht beargwöhnt, geschurigelt und zeitweise inhaftiert wurde, beerbt im Amt den DDR-Umweltaktivisten Michael Beleites. Er war schon der dritte Bewerber, der ins Spiel gebracht wurde. Die CDU und etliche Opferverbände hätten die Schriftstellerin Freya Klier vorgezogen; die FDP pochte auf Konrad Felber, der die Dresdner Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde leitet und FDP-Mann ist.

Dass Rathenow auch dritte Wahl ist, sagt in Dresden niemand. Als jemand, der trotz Schikanen in der DDR blieb und und sich in der Initiative Frieden und Menschenrechte engagierte, dürfte er Respekt bei den Opfern finden, deren Beratung neben der Bildungsarbeit zu seinen Aufgaben zählt. Dass er eine – wenn auch kleine – Behörde leiten kann, muss er jetzt beweisen.

Dass diese Behörde aber kritiklos weitergeführt wird; dass Anregungen auch von Beleites zu einer Neuausrichtung, zur Erweiterung des Aufgabengebietes über Stasi-Fragen hinaus und womöglich zur Eingliederung in die Landeszentrale für politische Bildung nicht erörtert wurden und FDP-Justizminister Jürgen Martens stur den Personalvorschlag durchdrückte – das vergrätzte die Opposition, die gestern gegen Rathenow stimmte. Für diesen ist das eine unschöne Hypothek.

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