Der König ohne Kleider
Swasiland – das Reich König Mswatis III. – steckt in großen Haushaltsnöten. Stellenstreichungen im Öffentlichen Dienst und Sozialabbau treffen nun die Bevölkerung
Obwohl die Prozedur gut zwei Stunden Zeit kostet, ist die Stimmung in den unorganisierten Schlangen entspannt. Es ist Monatsende. Die Swasis kehren mit ihrem Lohn aus Südafrika in die Heimat zurück.
Die Not zwingt zur Arbeit nach Südafrika
Swasiland – Afrikas zweitkleinster Staat mit gut einer Million Einwohnern – liegt im Osten Südafrikas und ist mit Ausnahme einer kurzen Grenze zu Mosambik fast vollständig von der Kaprepublik umgeben. Dort suchen die Swasis traditionell nach Lohn und Brot. Wie die Einwohner des anderen Königreichs im südlichen Afrika, Lesotho, arbeiten auch die Swasis seit vielen Jahren in den Minen und Fabriken Südafrikas. Vor der Unabhängigkeit 1968 wollten sie mit dem hart erarbeiteten Geld ihr Land zurückerwerben, das die britischen Kolonialherren konfisziert hatten. Doch nun könnte der Drang der Swasis nach Südafrika noch größer werden, denn das Königreich ist so gut wie pleite.
Lieferanten des Staates werden nicht mehr bezahlt, selbst das Benzin für ihre Fahrzeuge können sich staatliche Institutionen nicht mehr leisten. Die Finanzkrise ist Folge des starken Rückgangs der Einnahmen der ältesten Zollunion der Welt, der SACU (Southern African Costums Union), der neben Swasiland auch Botswana, Namibia, Lesotho und Südafrika angehören.
Obwohl Südafrika für den Großteil der Einnahmen sorgt, werden die Gewinne unter den SACU-Mitgliedern nach einem festgesetzten Schlüssel aufgeteilt. Die Kleinen – wie eben Swasiland – profitieren davon überproportional. Zwei Drittel der Staatseinnahmen stammen aus der Zollunion. Wegen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die auch die Wirtschaft Südafrikas und seiner Nachbarländer traf, fließen die Finanzen sehr viel spärlicher. Allein 2010 sanken Swasilands Einnahmen aus der Zollunion um 70 Prozent.
Laut Internationalem Währungsfonds ist der öffentliche Dienst ein enormer Kostenfaktor. Allein die Gehälter der insgesamt 35 000 Staatsbediensteten Swasilands machen die Hälfte des Haushalts aus. Und das Wirtschaftswachstum liegt seit Mitte der 90er Jahre deutlich unter dem Niveau anderer Staaten der Region.
König Mswati III, seit 25 Jahren auf dem Thron, will nun 7000 öffentliche Stellen streichen. Eine zweifelhafte Entscheidung in einem Land mit 40 Prozent Arbeitslosigkeit, wo jeder Beschäftigte mit seinem Verdienst um die zehn Personen versorgt. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in Armut und betreiben Landwirtschaft, die allenfalls sie selbst ernährt.
Bongani Masuku vom südafrikanischen Gewerkschaftsdachverband COSATU ist selbst Swasi, hat aber in seiner Heimat Einreiseverbot, weil er den König zu heftig kritisiert. Wenn nun 7000 Stellen gestrichen werden, fürchtet Bongani um die Arbeitsfähigkeit der Behörden. »Freunde und Verwandte des Königs, die sich den Staat als Beute genommen haben, werden ihren Job nicht verlieren«, erläutert er verärgert, »Sie werden weiter in den Ministerien rumlungern, wenn sie überhaupt zur Arbeit erscheinen.« Er selbst habe das hautnah erlebt, als er noch im Finanzministerium arbeitete. »Eine Vorgesetzte kam häufig morgens nur, um ihre Jacke im Büro abzulegen und sie abends wieder einzusammeln.« Entlassen würden wohl nur jene, die keine Verbindung zur Macht, zum König haben, die aber die eigentliche Arbeit zu verrichten versuchen. »Ich sehe schwarz, was die Entwicklung Swasilands anbelangt, solange die korrupte Clique um den König weiter an der Macht klebt.«
COSATU unterstützt die Demokratisierungskampagne in Swasiland. Zweimal im Monat demonstrieren Gewerkschafter vor dem Konsulat des Königreichs in Johannesburg für die Freilassung von Oppositionellen und einen demokratischen Wandel in dem absoluten Königreich. Gerne würde man es sehen, wenn die Straße, wie in Tunesien, den Wandel erzwingen könnte.
Mit der höchsten Aids-Rate der Welt
Den Kreislauf der Armut im Land hält neben der Korruption und der Misswirtschaft auch die höchste HIV/Aids-Infektionsrate der Welt aufrecht. 26 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind HIV-positiv. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich laut »Ärzte ohne Grenzen« in den vergangenen 20 Jahren von 60 auf 31 Jahre verringert. Die Bevölkerung im produktiven Alter schwindet unablässig. Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern fehlen. Das Land hat zu spät und unzureichend auf die Pandemie reagiert.
Mit einer Keuschheitskampagne für Jugendliche wollte der polygame König die Krankheit vor zehn Jahren bekämpfen. Durch die Wahl einer minderjährigen Gemahlin wenig später untergrub er selbst seine Glaubwürdigkeit.
Dank Freiwilligen- und UN-Organisationen hatten sich die medizinische Grundversorgung auch im ländlichen Raum und die Ausgabe von Aids-Medikamente an die vielen Kranken in den vergangenen Jahren verbessert. Wegen der Krise der Staatsfinanzen fürchten die Organisationen nun allerdings, dass mühsam Erreichtes wieder zunichte gemacht wird.
»Die Regierung hat kein Geld. Die Hauptprojekte im Land wurden gestoppt«, sagt Sipho Dlamini, Mitarbeiter des HIV/Aids-Netzwerks SWANNEPHA. »Die Regierung hat uns alle Subventionen gestrichen. Stellen Sie sich vor, was das für die Leute bedeutet, die wir unterstützen!« Das Netzwerk fördert die Bildung von Betroffenen-Gruppen. Gemeinsam achten sie auf ihre Ernährung, die regelmäßige Einnahme der Medikamente, sprechen öffentlich über die Krankheit, machen einander Mut, kämpfen gegen die mit der Krankheit häufig einhergehende soziale Isolation. Das ist die Basisarbeit in einem Land, wo das Aids-Stigma tötet – denn immer noch lassen sich zu wenig Leute testen.
Die Staatspleite zeigt sich aber auch im Verfall der Straßen. Das ist angesichts der Aids-Pandemie besonders besorgniserregend: Die Wege zu den Stationen, an denen Aids-Medikamente ausgegeben werden, sind oft sehr weit. In manche Regionen fahren aber keine Busse mehr, weil die Straßen zu schlecht geworden sind.
Am Tropf des großen Nachbarn
Swasiland hängt immer mehr am Tropf internationaler Hilfsorganisationen – und natürlich des Nachbarn Südafrika. Dort sind die Zahlungen im Rahmen der Zollunion nicht wenigen ein Dorn im Auge, schließlich gibt es auch in Südafrika noch viele soziale Probleme.
Bongani Masuku, COSATU-Referent für Internationales, sieht aber auch große Solidarität mit den Swasis. »Die südafrikanischen Arbeitnehmer sind bereit, weiter für unsere Nachbarn zu zahlen. Statt der Zolleinnahmen könnte man aber über einen Entwicklungsfonds sprechen. Denn was das Land braucht, um etwa gegenüber Mosambik aufzuholen, das große Fortschritte in den vergangenen Jahren gemacht hat, sind Investitionen in die Infrastruktur, in Straßen, Energiewirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus.«
Was er davon hielte, wenn Swasiland zu einer Provinz Südafrikas würde, weil das Land eigentlich keine eigene Zukunft hat? »Ja, vielleicht wäre das eine Lösung«, meint Bongani, »die Grenzkontrollen sind sicherlich eine Farce. Wir brauchen einen einfachen Personenreiseverkehr zwischen den Ländern der Region.«
Sipho Dlamini aber reagiert empört auf diese Frage, die nur ein Ausländer so stellen könne. »Wir wollen nicht wie die Südafrikaner werden. Hier habe ich zwar nicht viele Möglichkeiten, aber ich kann mit ruhigem Gewissen mit offenen Türen und Fenstern schlafen. Ich werde nicht in meinem eigenen Haus beraubt und getötet.«
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