Überprüfen – ja ändern – nein
Bundestagsdebatte über Atompolitik
Berlin/Boltenhagen (dpa/ND-Damm). Im Februar 2010 hatte die Bundesregierung eine Grundsatzzusage für eine Bürgschaft über 1,3 Milliarden Euro an Areva NP/Siemens für den Bau des brasilianischen Atomkraftwerks Angra 3 erteilt.
Zahlreiche Umweltorganisationen hatten zuvor in einem offenen Brief die Bundeskanzlerin und die zuständigen Ministerien aufgefordert, die Hermesbürgschaft zurückzunehmen und einen grundsätzlichen Ausstieg aus der Atomexportförderung gefordert. »Derzeit laufen noch die Verhandlungen mit französischen Banken über die Kreditkonditionen für dieses Projekt. Da von Seiten der Bundesregierung noch keine endgültige Indeckungsnahme erfolgt ist, kann sie bei einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage die bereits erteilte Grundsatzzusage zurückzuziehen«, begründen die Organisationen ihre Forderung. »Eine solche wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage ist mit dem Atomunfall in Japan jetzt eingetreten«, erklärt Barbara Happe von der Nichtregierungsorganisation urgewald. So sei der geplante Reaktor nicht hinreichend gegen Auswirkungen von außen wie Flugzeugabstürze gesichert. Auch der Katastrophenschutz falle weit hinter internationale Standards zurück. Im Katastrophenfall sei lediglich die Evakuierung von Betroffenen im Umkreis von fünf Kilometern vom Kraftwerk vorgesehen und verkehrstechnisch realisierbar. Der FDP-Politiker Otto Solms sagte im Bundestag, »auch die Hermesbürgschaften müssen überprüft werden«.
Weiter zur Debatte stand gestern ein Gesetzesentwurf der SPD zur beschleunigten Stilllegung von Atomkraftwerken und der endgültigen Schließung der acht Altmeiler Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Phillipsburg 1 und Krümmel. Diesen Antrag lehnte die Regierungskoalition ebenso ab wie Anträge und Gesetzentwürfe der Oppositionsparteien zur Kommunalisierung der Energieversorgung. Während die Sozialdemokraten wollen, dass Kommunen, die ihre Gas- und Stromnetze wieder selbst betreiben wollen, dies künftig einfacher tun können, fordert DIE LINKE, die Gas- und Stromnetze in den Besitz der öffentlichen Hand zu überführen.
Die fünf norddeutschen Bundesländer forderten gestern mehr Tempo bei der Ablösung der Atomkraft durch erneuerbare Energien. Auf ihrer Tagung am Donnerstag in Boltenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) ermahnten die Nord-Ministerpräsidenten den Bund in einer gemeinsamen Erklärung, den Bau von Offshore-Windkraftanlagen vor den deutschen Küsten mit Hilfe von Bürgschafts- und Förderprogrammen voranzutreiben. Zudem fordern sie ein »Netzausbau-Beschleunigungsgesetz«. Der Ausbau der Stromnetze sei eine Aufgabe von nationaler Bedeutung. Neue Leitungen seien unabdingbare Voraussetzung für den Transport des Windstroms aus dem Norden zu den Großverbrauchern im Westen und Süden Deutschlands.
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