Polen dieses Mal nicht ganz »willig«

Warschau verzichtet auf Kriegsteilnahme

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Warschaus Haltung zur »Operation Odyssey Dawn« gegen Libyen erscheint gewissermaßen schizophren. Gott sei Dank – ist man beinahe zu sagen versucht.

Polens Premier Donald Tusk wie Staatspräsident Bronislaw Komorowski einigten sich auf die Formel, dass Polen den Einsatz westlicher Staaten im Luftraum über Libyen »zum Schutz der Zivilbevölkerung« unterstütze, von einer Teilnahme an militärischen Handlungen jedoch absehe. Diesmal ist Polen also »nicht ganz willig«.

Nach einer Reihe von Beratungen in polnischen Führungsgremien nannte General Stanislaw Koziej, Chef des Nationalen Sicherheitsrates dies eine politisch-strategische Entscheidung. Polen habe keine Interessen in Nordafrika. Darüber hinaus falle der Regierung mit der am 1. Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Vermittlerrolle zu: Man werde, falls noch nötig, die unter einigen Staaten der Gemeinschaft bestehenden Differenzen zu Libyen zu schlichten versuchen. Wie ambitioniert dies auch klingen mag, auf sein Prestige pocht man an der Weichsel.

Das klingt bei General Slawomir Petelicki anders. Der Gründer der Spezialeinheit »Grom«, ein mit höchsten westlichen Auszeichnungen für den Einsatz in Irak dekorierter Haudegen, warf dem Regierungschef vor, dass er die Öffentlichkeit betrüge. Statt mit seiner Friedfertigkeit zu prahlen, sollte er besser sagen, dass Polen einfach nicht in der Lage sei, militärisch mitzumachen. Was an kriegstüchtigen Einheiten zur Verfügung stehe, reiche kaum für den Einsatz in Afghanistan. Die F-16 Staffel der polnischen Luftwaffe habe immer noch keine NATO-Zertifikate. Und die Flotte halte sich gerade noch über Wasser. »Wir sind keine Großmacht«, so Petelicki.

Jacek Pawlicki fand in der »Gazeta Wyborcza« noch einen weiteren Grund für Tusks Zurückhaltung: In sieben Monaten stehen Parlamentswahlen an, und die Polen seien mit großer Mehrheit gegen die Teilnahme Polens an militärischen Abenteuern wie am Hindukusch und zuvor in Irak.

Übrigens fiel in der hiesigen bürgerlichen Presse zum ersten Mal ein ehrliches Wort über die Legitimität der »Koalition der Willigen« im Zweistromland. Als Pawlicki über den »von westlichen Staaten erzwungenen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates« zum Luftwaffeneinsatz über Libyen schrieb, ließ er die Bemerkung fallen: »zusätzlich im Unterschied zu Irak«. Seit die linke »Trybuna« aus finanziellen Gründen vor vier Jahren eingegangen ist, verharren alle polnischen Medien in der durch die »Staatsraison« aufgebauschten Lüge, der Irakkrieg sei durch eine UNO-Resolution legitimiert gewesen. Bedauerlicherweise will auch das Demokratische Linksbündnis nicht auf diese Lüge verzichten. Auf einer Landeskonferenz am Wochenende gab es sich staatstragend und lobte Tusk für dessen »vernünftige Politik zu Libyen«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.