Tokio: »Vorübergehende« Kernschmelze
Lage am havarierten AKW Fukushima bleibt extrem gefährlich
Tokio (Agenturen/ND). Es sei möglich, dass Wasser aus einem Wartungstunnel des Turbinengebäudes ins Meer gelangt sei, teilte die Betreiberfirma Tepco mit. Die japanische Regierung sprach erstmals von einer »vorübergehenden« Kernschmelze und einer Beschädigung der Druckbehälter.
Nach Angaben eines Tepco-Sprechers liegt die Radioaktivität im Wasser des Tunnels bei 1000 Millisievert pro Stunde. Am Sonntag war im Untergeschoss des Turbinengebäudes ähnlich stark radioaktives Wasser entdeckt worden. Jedes der Turbinengebäude verfügt über zwei mannshohe Wartungstunnel, in denen Kabel und Abwasserleitungen verlaufen. Ein knapp 16 Meter tiefer Schacht zum Tunnel sei fast bis zum Rand voll mit Wasser, teilte der Sprecher mit. Der Schacht liege nur 55 Meter vom Ufer entfernt, möglicherweise sei Wasser ins Meer gelangt.
Tepco gab erstmals zu, dass die Druckbehälter der Reaktoren 1, 2 und 3 womöglich beschädigt seien. Darauf deuteten Spuren radioaktiven Jods 131 und Caesiums 137 hin. »Angesichts der hohen Radioaktivitätswerte im Wasser im Turbinengebäude von Reaktor 2 können wir annehmen, dass Wasser, das direkt mit dem vorübergehend geschmolzenen Brennstäben in Kontakt gelangt ist, aus dem Druckbehälter ausgetreten ist«, sagte auch Regierungssprecher Yukio Edano.
Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums sagte am Montag mit Verweis auf Informationen aus Japan, es sei mit »hoher Wahrscheinlichkeit« von »Kernschäden« in den Reaktoren 1, 2 und 3 sowie in den ausgelagerten Brennelementen von Reaktor 4 auszugehen. Es gebe Indizien, die für eine Kernschmelze sprechen. Dies sei allerdings nicht mit einem Durchschmelzen der Reaktordruckbehälter gleichzusetzen, betonte die Sprecherin.
Angesichts der hohen Radioaktivität um Reaktor 2 wurden die Reparaturarbeiten am Kühlsystem unterbrochen. Nach Angaben von Tepco befinden sich allein in dem vollgelaufenen Tunnel mehrere tausend Kubikmeter Wasser. Bevor die Arbeiten fortgesetzt werden, soll das Wasser abgepumpt werden, ohne dass es in die Umwelt gelangt.
Auch in den Turbinengebäuden der Reaktoren 1, 3 und 4 befindet sich Wasser. Im Fall von Reaktor 3 ist es ebenfalls hoch radioaktiv.
Trotz der weiter kritischen Lage am havarierten Atommeiler Fukushima kehren zahlreiche Anwohner in die Gefahrenzone zurück. Vor allem älteren Menschen sorgten sich um ihre Häuser und wollen nicht länger in Notfallunterkünften bleiben, berichtete der japanische Nachrichtensender NHK am Montag.
Die Behörden hatten die Bewohner im Umkreis von 20 Kilometern um das Kraftwerk Fukushima 1 aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Den Menschen in einer Zone von 20 bis 30 Kilometern wurde zudem empfohlen, in ihren Häusern zu bleiben, um radioaktive Verstrahlung zu vermeiden.
In der vergangenen Woche riet die Regierung dann den Bewohnern der äußeren Zone, das Gebiet freiwillig zu räumen. Als Grund gaben die Behörden an, dass die Versorgung der Menschen immer schwieriger werde.
Unterdessen schickt die Europäische Union weitere Hilfe in die japanischen Katastrophengebiete. Unter anderem sei ein Transport mit 100 Tonnen Wasser unterwegs, sagte EU-Nothilfekommissarin Kristalina Georgiewa am Montag in Brüssel. Zusätzliche Bettdecken und Lebensmittel in Dosen würden demächst geliefert. Bisher hat die EU nach Angaben Georgiewas 220 Tonnen Hilfsgüter nach Japan geschickt. Über das Rote Kreuz leistete sie 15 Millionen Euro finanzielle Hilfe.
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