Fukushima-Effekt in Brasilien
Neue Diskussion über Zukunft der Atomkraft in südamerikanischem Land
In Brasilien sorgten dieser Tage Meldungen für Aufmerksamkeit, wonach das mit deutscher Technik und Hermesbürgschaften gebaute Atomkraftwerk Angra 2 im Staat Rio de Janeiro seit zehn Jahren ohne abschließende Betriebsgenehmigung am Netz ist.
Der Bericht, erstellt von den Vereinigungen der Angestellten des Nuklearen Programms, beklagt außerdem eine verschleppte Betriebsgenehmigung der Urankonzentrationsanlage der Uranmine von Caetité im Bundesstaat Bahia. Statt über 400 Tonnen Yellow-Cake wie im Jahr 2009 habe die Uranmine deshalb im vergangenen Jahr lediglich 174 Tonnen produzieren können. Brasilien musste 220 Tonnen des radioaktiven Brennstoffs auf dem Weltmarkt zukaufen, was den Staat rund 17 Millionen Euro kostete.
Anti-Atomgruppen und das brasilianische Nachrichtenjournal »Istoé« bringen nun die fehlende Betriebsgenehmigung von Angra 2 mit dem angekündigten Austausch des gesamten Direktoriums der Atomenergiekommission CNEN und dessen Präsidenten Odair Dias Gonçalves in Verbindung. Doch sowohl der für das Atomprogramm verantwortliche Minister für Wissenschaft und Technik, Aloizio Mercadante, als auch der einst von Ex-Präsident Lula 2003 eingesetzte CNEN-Chef winken ab. Gonçalves habe schon lange um seinen Rücktritt gebeten, so der Minister. Doch wegen dem Reaktorunfall von Fukushima habe er den Rücktritt nicht angenommen. Der CNEN-Chef solle erst nach der »Nuklearen Krise« in Japan seinen Stuhl als CNEN-Chef räumen. Eine Änderung des ambitionierten Atomprogramms ist davon nicht zu erwarten. Denn Gonçalves' designierter Nachfolger José Mauro Esteves war unter Präsident Cardoso für den Bau von Angra 2 verantwortlich.
Während die durch Fukushima wiedererweckten Umweltgruppen für den Nuklearen Ausstieg und den Baustopp von Angra 3 demonstrieren, beschränkt sich die Diskussion in den brasilianischen Massenmedien bislang auf die beiden Atomkraftwerke in der bei Touristen beliebten Regenwaldregion südlich von Rio.
Technische Mängel, so die CNEN, seien dabei nicht das Problem. Das in den Medien hauptsächlich diskutierte Sicherheitsproblem des AKW ist der Evakuierungsplan für den Fall eines Super-GAU, den selbst die Atomlobby als unzureichend kritisiert.
Da der Fluchtweg per Straße aufgrund der bergigen Landschaft und häufiger Schlammlawinen nicht sicher ist, plant der staatliche Kernkraftwerksbetreiber, Eletronuclear, deshalb jetzt Fluchtmöglichkeiten per Schiff und den Bau entsprechender Fluchthäfen. Und der Bürgermeister der benachbarten Stadt Angra dos Reis mit über 100 000 Einwohnern, Tuca Jordão, ein Atomkraftbefürworter, fordert gar einen Flughafen, um im Notfall Bürger ausfliegen zu können.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.