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»Tèt Kale«
Michel Martelly / Der populäre Musiker wurde zum neuen Präsidenten Haitis gewählt
Haiti wird künftig vom populären Kompa-Sänger Michel Martelly regiert. In der Stichwahl vom 20. März erhielt er 67,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Der Wähleranteil seiner Konkurrentin, der ehemaligen First Lady Mirlande Manigat, betrug dagegen nur 31,7 Prozent. Der kahl rasierte Musiker wird von seinen Gefolgsleuten »Tèt Kale« (Glatzkopf) gerufen.
Martelly hatte sich selbst im Wahlkampf in Abgrenzung zur korrupten Politikerkaste des Landes als Saubermann und politischen Neuling dargestellt. Aber so unbedarft ist er nicht. Der 50-Jährige pflegte in den frühen 90er Jahren enge Freundschaften zu führenden Mitgliedern der Front für Weiterentwicklung und Fortschritt in Haiti (FRAPH). Die rechte Organisation hatte in der Ära nach der Duvalier-Diktatur viele linke Oppositionelle ermordet.
Martelly umgibt sich öffentlich nicht mehr mit Mitgliedern der FRAPH-Todesschwadronen. Vielmehr ist er als Musiker bekannt. Mit eingängigen Songs im Kompa-Rhythmus heizte »Sweet Micky« den Karneval feiernden Haitianern ein, schmückte sich mit bizarren Kostümen und begeisterte seine Zuhörer mit bösem Spott auf die Politik. Das kommt vor allem bei Jugendlichen gut an, die nichts mehr von greisen Politikern wissen wollen, die sich nur um die Mehrung ihres Reichtums kümmern.
Inzwischen trägt Martelly staatsmännisch maßgeschneiderte Anzüge und Krawatten. Der Vater von vier Kindern, der, wie er nicht müde wird zu betonen, aus einfachen Verhältnissen stammt, hat viel versprochen. Die hohe Analphabetenrate (60 Prozent) und die Tatsache, dass viele Kinder auf teure Privatschulen angewiesen sind, will der Chef der Partei »Repons Peyizan« (Bürgerreaktion) durch staatliche Bildung ausbessern. Zudem sollen ausländische Investoren im Tourismussektor die Wirtschaft ankurbeln. Rund 80 Prozent der haitianischen Bevölkerung leben durchschnittlich von weniger als einem Euro pro Tag, unter der Armutsgrenze.
Dass »Glatzkopf« Martelly seine Anhänger zu militanten Demos während des Wahlkampfes auf die Straße geschickt hat, lässt jedoch nichts Gutes ahnen in einem Land, wo die Opposition in den vergangenen Jahrzehnten meist brutal unterdrückt wurde.
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