Ein neues Dach
Die Privatisierungsgegner stellen ihren Protest auf festere Beine
Es ist ein ungleicher Kampf: Drinnen, am Tisch mit den Gemeindevertretern, die Privatisierungslobbyisten mit Powerpoint-Präsentation und tollen Versprechen, wie sie die Kassen der Kommunen entlasten können. Draußen eine Handvoll Bürger mit selbst gebastelten Schildern, die gegen den Verkauf öffentlicher Infrastruktur protestieren. »Bürgerini Luckenwalde gegen E.on – dieses Bild muss sich ändern«, sagt Attac-Aktivist Carl Waßmuth, der zuletzt gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn gekämpft hat. Er gehört zu den Gründern eines neuen Vereins mit dem programmatischen Namen »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB), der die Gegenkräfte bündeln will, damit in Zukunft nicht mehr jeder für sich, sondern viele gemeinsam die Stimme erheben.
Denn eigentlich sind es gar nicht so wenige, die finden, dass Wasser, Energie, Bildung oder Mobilität unter demokratische Kontrolle gehören. In vielen Städten gibt es Bürgerinitiativen und Bündnisse gegen Privatisierung, die gegen den Verkauf von Schulen, Krankenhäusern oder Schwimmbädern kämpfen oder sich für die Rekommunalisierung von öffentlicher Infrastruktur einsetzen. »Aber jede dieser Gruppen fängt immer bei null an«, beschreibt Waßmuth den strategischen Nachteil gegenüber einigen wenigen Konzernen, die fast überall die Finger im Spiel haben, wo es um Privatisierung geht. Der Verein will die Protesterfahrungen sammeln und weitergeben. »Die Gruppen bilden die Basis, wir bieten ein Dach«, sagt Waßmuth, mit einer festen Stelle und Büro in Berlin.
Klassische Privatisierung findet inzwischen weniger statt, die schlechten Erfahrungen haben Skepsis wachsen lassen. Aber das Interesse der Privaten am Zugang zur profitablen öffentlichen Infrastruktur ist geblieben. »Das Zauberwort heute ist PPP«, sagt Laura Valentukviciute. Sie bringt ihr Wissen über »Public-Privat-Partnership« aus einer Attac-Kampagne in den Verein ein. Bei diesem Modell wird die Sanierung und Bewirtschaftung von Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen Privatunternehmen überlassen. Die Verträge sind geheim, die Risiken trägt die öffentliche Hand. »Für die Bürgerinnen und Bürger verschlechtern sich fast immer Versorgung und Preise, demokratische Kontrolle geht für lange Zeit verloren«, erklärt Valentukviciute. Aus Sicht der Kritiker kommt PPP die Kommunen meist teurer zu stehen, als wenn sie es selbst gemacht hätten.
Über 200 Projekte laufen oder seien in Planung, so die Vereinsgründer. Tendenz steigend, trotz warnender Beispiele wie die Berliner Wasserbetriebe oder Vorkommnisse im Landkreis Offenbach, wo die Gemeinde für Theatergruppen in Schulen am Nachmittag zusätzlich zahlen muss oder der Hausmeister unter einer 0180-Nummer erreichbar ist. Aber auch die A1, die zur »Todesbahn« geworden sei, seit ein Privater aus Kostengründen auf die Idee kam, eine Baustelle 70 statt wie üblich sieben Kilometer lang zu machen, zählen die Attac-Aktivisten dazu. Autobahnen gehören zu den größten Infrastrukturprojekten auf Bundesebene: »Private haben sich die Filetstücke gesichert«, sagt Waßmuth, »reparieren ein bisschen und kassieren dann die Mauteinnahmen.«
Zum Start will der Verein aber eine andere Spielart der »privaten Partnerschaft« aufs Korn nehmen: »Konzessionsverträge«. Dabei geht es um den Betrieb von Strom- oder Gasleitungen. Tausende Verträge laufen in den nächsten Jahren aus. »Die Kommunen stehen dann vor der Entscheidung: Verlängern oder Rekommunalisieren«, sagt Waßmuth. Da wolle man einhaken. Das Thema passt gut zur Diskussion um die Energiewende. Denn Eigenbetrieb bedeutet Einfluss auf den Ausbau der Energieversorgung.
Zum ersten bundesweiten Treffen von »Gemeingut in BürgerInnenhand« in Braunschweig kamen 15 Gruppen. Die Zahl wird Bau- und Energiekonzerne nicht gerade erzittern lassen. »Wir werden wachsen«, sind die Gründer überzeugt. Die Bewegungsstiftung unterstützt den Anfang, danach, hoffen sie, werden die Gruppen den Verein über Spenden und Fördermitglieder tragen.
Was die Initiativen »draußen« tun, ist den Powerpoint-Beratern »drinnen« jedenfalls schon jetzt nicht egal. Ein Vertreter des Bauindustrieverbandes klagte kürzlich in der Immobilienzeitung, die PPP-Gegner verbreiteten eine »üble Stimmung« auf dem Markt. Carl Waßmuth und Laura Valentukviciute nehmen es als Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein.
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