Stanislawski macht Schluss bei St. Pauli

Nach 18 Jahren beim Kiezklub geht der Trainer im Sommer – vermutlich nach Hoffenheim

  • Britta Körber, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen hat Trainer Holger Stanislawski seinen Abschied nach 18 Jahren vom FC St. Pauli verkündet. »Ich werde immer den Totenkopf im Herzen tragen, der Verein hat mich mein halbes Leben begleitet. Aber es ist jetzt ein Punkt erreicht, wo die Kraft und Energie weg sind. Der Rucksack wurde in den letzten Jahren immer schwerer«, erklärte der 41-Jährige am Mittwoch in einer 35-minütigen Rede den Schlussstrich zum Saisonende nach zwei »unvergesslichen Aufstiegen« als Coach auf dem Hamburger Kiez.

Wohin er in der neuen Spielzeit wechselt, ließ Stanislawski offen – es seien noch Details zu klären. »Ich gehe nicht zum HSV«, scherzte Stanislawski, der als Wunschkandidat bei 1899 Hoffenheim gilt. Die Kraichgauer trennen sich zum Saisonende von Chefcoach Marco Pezzaiuoli, und Mäzen Dietmar Hopp hat bereits das Interesse an Stanislawski klar bekundet.

Der Gang vor die Mannschaft sei brutal gewesen, sagte Stanislawski. Er verglich die Gefühle mit dem Tod seiner Mutter vor wenigen Monaten und sprach von einem großen Verlust. »Es ist so, als wenn man eine zweite Familie verlässt«, sagte der frühere Verteidiger, der immer wieder um Fassung rang, »aber man muss auch loslassen«. In den vergangenen Monaten habe er im Abstiegskampf acht Kilogramm Gewicht verloren.

St. Pauli habe ihm ein lukratives Vertragsangebot gemacht, er wolle jedoch eine neue Herausforderung suchen. »Die Wertschätzung eines herausragenden Angebotes wurde mir zuteil, kein anderer Verein kann darankommen«, führte der Hamburger aus, für den der Geldaspekt aber nicht der entscheidende war: »Meine Batterie wurde immer leerer, irgendwann lädt sich der Akku nicht mehr auf.«

Nicht nur der Kampf gegen den Abstieg mit zuletzt sieben Niederlagen in Folge, auch der Stadionumbau, die Planung des neuen Trainingszentrums, der Wettskandal und die Vorfälle im Zuschauerbereich hätten ihm zu schaffen gemacht. »Nun geht das Relikt aus alten Tagen«, sagte er.

Seit 1993 war Stanislawski zunächst als Spieler, dann als Vizepräsident, Sportchef und Trainer für den Kiezklub tätig. Sportchef Helmut Schulte gelang es nicht, ihm die Vertragsklausel abzukaufen, nach der er für eine Ablösesumme von 250 000 Euro ein Jahr vor Vertragsende gehen kann. »Es ist ein sehr trauriger Tag, an dem wir unseren Frontmann verlieren«, sagte Schulte. Keine Sekunde habe man mit dem Gedanken gespielt, dass der Trainer gehen könnte. Auch Namen für Nachfolger wollte Schulte nicht nennen. Für Präsident Stefan Orth hinterlässt Stanislawski eine »große Lücke, aber wir sind gut aufgestellt, auch wenn er die wichtigste Person im Klub ist«. Für seine Leistung bekommt Stanislawski eine Dauerkarte auf Lebenszeit – zudem wird das Trikot mit der Nummer 21 nie wieder vergeben.

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