Und über allen schwebte der Baron
7. Studentische Medientage in Chemnitz: Politik und politische Inszenierung
Ein bekannter Ex-Verteidigungsminister durfte bei den studentischen Medientagen in Chemnitz nicht fehlen, auch wenn er persönlich gar nicht anwesend war. Hätte man im Vorfeld Wetten darüber abgeschlossen, wann die Diskussion auf den über seine Selbstinszenierung gestürzten Karl-Theodor zu Guttenberg zu sprechen kommt, die meisten hätten wahrscheinlich daneben getippt. Die zweifelhafte Aura Guttenbergs zeigte selbst dort ihre Wirkung, wo sie eigentlich auf den ersten Blick nicht viel zu suchen hatte. So hatten die Organisatoren der Podiumsdiskussion einen Einspieler vorbereitet, indem der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer bei seinem Lieblingsspiel Boccia und die jetzige Kanzlerin Merkel im Sommerurlaub gezeigt wurden.
Ein Auftritt Guttenbergs? Fehlanzeige. Doch anstatt über die bewusste Inszenierung solcher Bilder durch Merkel und Adenauer zu sprechen, hatte sich der Baron längst in den Köpfen der Diskutanten festgesetzt. »Guttenberg hat viele Facetten von sich gezeigt«, erklärte die MDR-Moderatorin Uta Georgi. Er sei einer der Politiker gewesen, die ihr Privatleben bewusst in der Öffentlichkeit zur Schau stellten. Der frühere PDS-Politiker und Germanistikprofessor Peter Porsch attestierte daraufhin: »Politiker sind in gewisser Weise schizophren.« Einerseits müssten sie ihre menschliche Seite zeigen, um den Bürgern ein Gefühl der Dazugehörigkeit zu geben. Anderseits stellen sich Politiker jedoch gerne mit Überhöhung dar, um Stärke und Durchsetzungskraft gegenüber dem politischen Kontrahenten zu demonstrieren. »Dies ist fester Bestandteil des politischen Marketings«, so Porsch.
Der Münchner Redaktionsleiter Robin Cumpl stellte zudem fest, dass die Inszenierung von Politik eigentlich ein alter Hut sei. »Politiker wurden schon im alten Rom inszeniert.« Seiner Ansicht nach funktioniere das politische Geschäft nur noch über Inszenierung, weil so die nötige Dramaturgie und damit eine breite öffentliche Aufmerksamkeit erreicht werde. Der Journalist und Medientrainer Thomas Bärsch fügte hinzu, dass die Medien auf Politiker mit Geschichten angewiesen seien. »Journalismus sei oberflächlicher geworden«, behauptete der frühere Chefredakteur der Jugendzeitschrift »Spiesser« und heutige Medienberater Peter Stawowy und schob wenig später die oftmals bemühte Behauptung hinterher, dass sich die Leute immer weniger für politische Auseinandersetzungen in den klassischen Medien interessierten. »Das Interesse ist bei den Leuten da, wenn die Geschichten gut geschrieben sind.«, konterte Bärsch als Vertreter der Printmedien.
Einigkeit herrschte bei den Podiumsteilnehmern zumindest in der Frage, ob politischer Inszenierung per se etwas Negatives anhafte. Peter Porsch, als einziger Politiker der Runde, brachte es dabei auf den Punkt. Die Inszenierung von Politik sei erst dann negativ, wenn dadurch auch der Inhalt und damit am Ende die Menschen manipuliert werden.
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