Starke Hitzewellen werden zur Regel
ExtremWetterKongress in Hamburg beschäftigt sich mit den Folgen des Klimawandels
Das heftige Flattern des Begrüßungstransparents an der Balustrade der Universität Hamburg passte durchaus. Zu Beginn des ExtremWetterKongresses 2011 am Dienstag herrschte in der Hansestadt stürmischer Wind mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern.
2006 hatte ein Tornado im Hamburg-Harburger Binnenhafen mit 250 Stundenkilometern das Metalldach einer Lagerhalle fortgerissen. Zwei Kranfahrer kamen ums Leben. Oliver Schlenczek vom Netzwerk Skywarn erinnerte im Programm für Schulklassen nicht nur an den Sturm vor der Haustür, sondern zeigte auch Bilder von verwüsteten Landschaften – Resultat des bislang schnellsten Tornados, der 1999 mit Tempo 484 über Moore, Oklahoma, hinwegfegte: »Man sieht noch, dass hier mal ein Haus stand, aber davon kann man die Einzelteile im Umkreis von zehn Kilometern einsammeln.« Auch dank des begleitenden Schulprogramms erreichte der Kongress in diesem Jahr die Rekordzahl von 1600 Teilnehmern, die den über 80 Vorträgen lauschten.
Extremwetter sei auch »für traditionelle Städte in Mitteleuropa ein zentrales Problem der Zukunft«, betonte Helmut Mayer. Der Vorsitzende der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft geht davon aus, dass starke Hitzewellen um 2040 »fast der Regelfall in Mitteleuropa« sein werden. Da die dichte Bebauung der Metropolen den Handlungsspielraum einschränke, seien stadtplanerische Initiativen umso wichtiger – und zwar »nicht erst dann, wenn ein Extremereignis eingetreten ist«. Daniela Jacob vom Climate Service Center ließ immerhin hoffen: Die Modellierung stadtklimatischer Bedingungen wie die gegenseitige Abschattung von Hauswänden mache große Fortschritte.
»Die Auswirkungen extremer Wetterereignissen treffen uns immer wieder mit erschütternder Wucht, wie jüngst die Sandstürme in Mecklenburg-Vorpommern«, sagte Martin Claußen, Meteorologe am Max-Planck-Institut. »Aber offenbar ist unsere Vorstellungskraft überfordert, wenn wir uns mögliche Auswirkungen ausmalen sollen.« Christian Trinks vom Karlsruher Institut für Technologie versuchte dies, indem er an den siebentägigen Stromausfall durch Eisregen im Münsterland 2005 erinnerte. Ein längerer Ausfall der Energieversorgung könne schon deshalb katastrophale Folgen haben, weil die medizinischen Geräte in Alten- und Pflegeheimen »häufig nur über wenige Stunden batteriegepuffert« seien. Viele Referenten verknüpften die Klimawandel-Diskussion mit der Atomkraftdebatte. »Das Problem Klimawandel lösen wir, indem wir den Energiewandel machen«, erklärte der Meteorologe und Wettermoderator Sven Plöger: »Erneuerbare Energie ist die einzige nachhaltige Alternative für einen Planeten mit 6,9 Milliarden Menschen.«
Durch die mediale Präsentation ist Wetter auch zum Pop-Phänomen geworden. »Es spendet Hoffnung und macht Angst, die Kommunikation ist extrem emotional«, sagte Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg. Längst suggerieren Internet-Seiten verlässliche Urlaubsplanung Wochen im Voraus. Bei Wissenschaftlern stößt dies auf wenig Gegenliebe. In einer »Hamburger Erklärung« fordern Kongressteilnehmer, »auf die Erstellung und Veröffentlichung von Prognosen zu verzichten, die den Eindruck vermitteln, man könne mit dem heutigen Stand der Wissenschaft detaillierte Aussagen über die kommende Jahreszeit treffen«. Frank Abel vom Wetterdienst Meteo Group kündigte für den Abschlusstag einen Vorschlag an, »wie zukünftig auf derartige Jahreszeitvorhersagen reagiert werden könnte«. Dass sich seriöse Profis auch mit Ironie wehren können, deutet der Titel von Abels Referat an: »Es folgt der Wetterbericht für die nächsten 100 Jahre.«
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