Mehr Beratungsstellen müssen her

DGB-Vorstand beschließt Forderungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai fallen die Beschränkungen für osteuropäische EU-BürgerInnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Der DGB fürchtet Lohndumping und Tarifflucht und fordert die Umsetzung eines »7-Punkte-Programmes« zum Schutz der entsendeten ArbeitnehmerInnen.

Die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit müsse sozial und gerecht gestaltet werden, heißt es in einem Beschluss des DGB-Bundesvorstandes vom Montag. Er kritisiert, dass bisher »keine ausreichenden Vorkehrungen« zur Verhinderung von Lohndumping und zum Schutz von einheimischen und zugewanderten oder entsandten ArbeitnehmerInnen getroffen wurden.

Nach den Erfahrungen mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie, die seit 2009 den grenzüberschreitenden Verkehr von Dienstleistungen regelt, sei »vor allem eine Zunahme der prekären Beschäftigungsverhältnisse zu erwarten«, heißt es in dem Papier. Zu den sieben Punkten, deren Umsetzung der DGB von Bund und Ländern fordert, gehören die Aufnahme aller Branchen ins Entsendegesetz und die Durchsetzung der Gleichbezahlung für Leiharbeiter, der flächendeckende Mindestlohn, aber auch die Verabschiedung einer Sozialen Fortschrittsklausel in die europäischen Verträge, »um den Vorrang der sozialen Rechte vor den Binnenmarktrechten zu verankern«.

Rechte einklagen, aber wie?

Der Einzelhandel ist eine Branche, in der sehr viele 400-Euro-Jobs bestehen. Einfache Tätigkeiten wie das Auffüllen von Regalen würden von den Arbeitgebern gerne so günstig wie möglich vergeben, sagt Erika Ritter, Leiterin des Fachbereichs Handel bei ver.di in Berlin-Brandenburg. Zudem wehren sich die Arbeitgeber bislang erfolgreich gegen die Aufnahme der Branche ins Arbeitnehmerentsendegesetz. Gerade bei den niedrig entlohnten, einfachen Tätigkeiten sieht Ritter die Gefahr, dass die Jobs zu miesen Konditionen an ArbeitnehmerInnen aus dem Ausland vergeben werden könnten. Dazu kommt, dass die Tarifbindung im Handel »nicht besonders hoch« sei und es für 70 Prozent der bundesweit Beschäftigten keine Betriebsräte gebe. »Da fehlt das Regulativ«, sagt Ritter. Aber man müsse jetzt auch erst einmal abwarten, was tatsächlich nach dem 1. Mai passiere. »Immerhin gilt auch hier das Arbeitsrecht. Würden sich die Leute wehren, würde die Welt ganz anders aussehen.« Doch dazu fehle es den ArbeitnehmerInnen oft an Informationen über die eigenen Rechte.

Eine weitere Kernforderung des DGB ist darum die flächendeckende Einrichtung von Beratungsstellen für entsandte Arbeitnehmer. Frank Schmidt-Hullmann, Leiter der Abteilung Internationales bei der IG BAU und Geschäftsführer des Europäischen Wanderarbeiterverbandes (EVW), sagt, viele entsandte ArbeitnehmerInnen seien schlecht informiert und verfügten kaum über Sprachkenntnisse. Der EVW berät und unterstützt sie in der Wahrung ihrer Rechte, hilft bei unterschlagenen Löhnen. Bereits jetzt sei sowohl in Deutschland als auch im Büro der polnischen Schwesterorganisation ein »höheres Telefonaufkommen« festzustellen. Er rechnet auch mit einer veränderten Klientel für den EVW. Während bislang hauptsächlich Entsendefälle und Scheinselbstständige unterstützt wurden, rechnet man beim EVW ab dem 1. Mai auch verstärkt mit Beschäftigten in regulären Arbeitsverhältnissen, die Ärger mit ihren Arbeitgebern haben. Doch Geld, beispielsweise um neue Büros in den anderen EU-Staaten einzurichten, fehlt. Die vom DGB Berlin-Brandenburg eingerichtete Beratungsstelle für entsandte ArbeitnehmerInnen ist ein bundesweit einmaliges Projekt. Weitere Stellen seien nicht bezahlbar, sagt Sprecher Heiko Glawe. Auf eine Initiative der Gewerkschaften hätte nur Berlin reagiert und finanziert die Beratungsstelle mit zwei Beraterinnen.

Kein Geld für Beratung

Vorige Woche stellten Rheinland-Pfalz und Hamburg einen gemeinsamen Antrag zur sozialen Ausgestaltung der Freizügigkeit beim Bundesrat. Darin ist auch von der flächendeckenden Einrichtung von Beratungsstellen die Rede. Sollte der Bundesrat den Antrag der beiden SPD-geführten Länder annehmen, könnten auch EU-Mittel für Angebote fließen. Glawe hofft, dass sich bis zum Ende des Jahres etwas bewegen könne. Und das wäre überfällig: »Mit der Dienstleistungsrichtlinie wurde den Arbeitgebern der rote Teppich ausgerollt, Telefonberatungen eingerichtet und einiges mehr. Und für die Arbeitnehmer ist kein Geld da«, kritisiert Frank Schmidt-Hullmann in Richtung Bundesregierung und stellt gleichzeitig klar: »Wir fürchten die Ausbeutung in erster Linie durch deutsche Arbeitgeber.«

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