Landesparteitag unter schwierigen Vorzeichen

Parteichef Ernst will Rückbesinnung auf die LINKE als »Partei der Arbeit«

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Hamburgs LINKE traf sich zum Parteitag. Bundesvorsitzender Klaus Ernst beschwor die »klare Kante« in seiner Rede«. Gänzlich streitfrei ging es indes bei den Hamburger Genossen nicht zu.

Die Hamburger LINKEN bemühten sich auf ihrem Parteitag, Selbstbewusstsein zu demonstrieren. »Nach der Herkulesarbeit im Turbowahlkampf können wir auf unser Ergebnis stolz sein«, begrüßte Karin Haas vom Landesvorstand ihre Genossen. Geschäftsführer Martin Wittmaack sprach »in Anbetracht der Schwierigkeiten« sogar von einem »hervorragenden Ergebnis«, dass die 6,4 Prozent von 2008 bei den Bürgerschaftswahlen im Februar gehalten werden konnten.

Parteichef Klaus Ernst wartete in seiner mit freundlichem Applaus goutierten Rede über die bevorstehende »Bewährungsprobe« der LINKEN, mit etwas nüchterneren Bewertungen auf. Trotz des »stabilen Prozent-Ergebnisses« in Hamburg sei die Zwischenbilanz der Wahlen 2011 für die LINKE bundesweit »unbefriedigend«.

Die entscheidende Frage nach dem Warum wurde von Ernst mit Klartext gegen den sich »Reformer« nennenden Parteiflügel beantwortet: »Es gibt einen harten Kern von Funktionären und Mandatsträgern, die sich zu keiner Zeit mit der im Mai 2010 gewählten Führungsspitze abfinden konnten, weil sie mit der Fortsetzung des Kurses von Oskar Lafontaine – die Beharrung auf einem klaren sozialen und friedenspolitischen Profil, mit klaren Alternativen zum herrschenden Finanzmarktkapitalismus und in Abgrenzung zu allen anderen Parteien, auch zu SPD und Grünen – nicht einverstanden sind.«

Ernst nannte aber auch externe Gründe: Den Grünen gelinge es mehr und mehr, ihr Profil als Oppositionspartei zu schärfen – besonders seit Fukushima. Seine Partei werde mit ihrer »Kernkompetenz« sozialer Themen zunehmend »politisch und medial ausgegrenzt«. In dieser »veränderten politischen Großwetterlage« sei es notwendig, »den Platz der LINKEN neu zu bestimmen«. Sie solle weder auf eine »Strategie der Abgrenzung durch Radikalisierung« noch auf eine »Strategie der Bündnisfähigkeit durch Beliebigkeit« setzen. Inhaltlich dürfe die LINKE nicht »herumeiern«, sondern müsse sich geschlossen auf »eine Seite der Barrikade« stellen: Die Seite der Lohnabhängigen.

Dafür sei eine Rückbesinnung auf die LINKE als »Partei der Arbeit« nötig und die Erkenntnis, »dass wir bis zum Hals im Kapitalismus stecken«, zitierte Ernst Heiner Müller und paraphrasierte immer wieder Karl Marx. Die LINKE dürfe sich mit der »grün angemalten« Variante nicht versöhnen, sondern müsse für einen »neuen sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag« inklusive »Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse« in den Bereichen öffentliche Daseinsvorsorge und Bankensektor streiten.

In der anschließenden Debatte zeigten sich einige Genossen durch Ernsts neue Losung »Klare Kante statt LINKE Light« beflügelt: Der Hamburger Fraktionsvize Norbert Hackbusch bezeichnete den Kampf für die Rekommunalisierung der Energienetze als eine wirksame Form von »Klassenkampf«. Dass Hackbusch neben Beifall auch spöttische Bemerkungen erntete, deutet an: Zwar gibt es an der Waterkant keine Fehden zwischen organisierten Strömungen. Aber auch hier werden die Frontlinien wahrnehmbarer – beispielsweise anhand der Verschärfung der Tonlage in der K-Frage: »Was vor der Wahl an Antikommunismus zum Vorschein kam, ist einer pluralen Partei nicht würdig«, sagte Markus Schneider-Johnen, Wahlkämpfer aus St. Pauli und machte seinem Ärger über »das Distanzierungsgefasel aus den eigenen Reihen« Luft. Andere stießen ins selbe Horn: »Sind wir von Natur aus sozialdemokratisch?«, lautete eine ironische Frage aus der Linksjugend zu der Interviewaussage von Fraktionschefin Dora Heyenn, der Mensch sei nicht für den Kommunismus gemacht. Die ließ sich nicht zu Redescharmützeln hinreißen und appellierte, sich auf die Oppositionsarbeit zu konzentrieren und herauszustellen, dass die LINKE die »einzige Partei ist, die einen sofortigen Atomausstieg fordert«.

Andere Mitglieder der Parteispitze beklagten einen Mangel an solidarischer Zusammenarbeit. Konsequenzen wurden gezogen: Drei Rücktritte aus dem Landesvorstand. Während Regine Brüggemann und Susanne Klein gar nicht mehr auf dem Parteitag erschienen, begründete Schatzmeister Bernhard Müller seine Entscheidung mit dem gestörten Verhältnis zwischen Landesvorstand, Geschäftsführung und Fraktion: »Es wurde am Vorstand vorbei agiert.« Zum Nachfolger wurde Klaus Roocks, zur neuen Landessprecherin Olga Fritzsche gewählt. Vorstandskandidatin Gunhild Berdal fiel im ersten Wahlgang durch. Der zweite wurde vertagt.

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