Meuterei der Krabbenfischer

»Fangstreik« soll auf wirtschaftliche Misere aufmerksam machen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Samstag bleiben im niedersächsischen Ostfriesland die Krabbenkutter im Hafen. Die selbstständigen Fischer haben sich einen vierwöchigen »Fangstreik« auferlegt. Auch denken sie über eine Hafenblockade nach. Preisverfall ist der Grund für diese Maßnahmen.

»Nordseefrühstück« wird es oft genannt: jenes Mahl mit Schwarzbrot, auf dem sich Rührei und Krabben türmen. Den Fischern jedoch, die für das Wichtigste dabei sorgen – die auch Granat genannten Nordseegarnelen –, dürfte zur Zeit der Appetit auf Krabben vergehen. Dann nämlich, wenn sie die Köstlichkeit von der betriebswirtschaftlichen Seite her betrachten. »Nur 1,57 Euro bekommen wir für ein Kilo Granat«, berichtet Roger Alts von der Erzeugerorganisation Norddeich: »Wenn das so bleibt, können meine Kollegen und ich Konkurs anmelden.«

Enormer Preisverfall

So proppenvoll seien die Krabbenlager der Großhändler, dass sie den Preis so tief drücken können, sagt Alts. Entstanden seien die Mengen nicht zuletzt durch Mitbewerber aus den Niederlanden. Einige unter ihnen kümmerten sich nicht um die traditionelle Fangpause von Dezember bis Februar. Sauer sind Alts und Kollegen über solche Niederländer, die in dieser fangfreien Zeit »jede Woche mit 24 Meter großen Eurokuttern 10 bis 15 Tonnen Granat« an Land bringen. »Wenn die solche Mengen anschleppen, hat das nichts mit der von uns gewollten nachhaltigen Fischerei zu tun«, so Alts.

Der Groll der Fischer richtet sich keineswegs gegen alle niederländischen Kollegen. Die meisten von ihnen leiden auch unter dem Preisverfall, verzichten derzeit auf den Fang, berichtet Krabbenfischer André Hamann aus Büsum im ND-Gespräch. Auch in Belgien und Dänemark blieben Kutter derzeit aus Protest gegen den Tiefpreis liegen. Warum die deutschen Krabbenfischer über eine Hafenblockade nachdenken? »Weil wir auf uns aufmerksam machen wollen«, betont Hamann.

Aufmerksamkeit für die Sorgen der Fischer vermisst auch Roger Alts: »Wir haben hier und da protestiert – aber ohne nennenswerte Reaktion seitens der Politik.« Die Fischer wollten keine Almosen, aber: Die Politik und die Großhändler sollten sich gemeinsam um die existenzgefährdenden Lage der Betroffenen kümmern. »Denen ist wahrscheinlich nicht klar, was für Investitionen auf uns zugekommen sind.« Durch behördliche Auflagen seien die Fischer zu teuren Funkanlagen, Löscheinrichtungen und laufenden Motorwartungen gezwungen worden. Auch seien die hohen Treibstoffkosten zu bedenken.

Landwirten werde doch auch geholfen, bemerkt Roger Alts. Um »über die Runden zu kommen«, müssten die Krabbenfischer mindestens 2,50 bis 3 Euro pro Kilo Granat erhalten. Wünschenswert wäre es, wenn der Staat den Ausgleich zu den derzeitigen 1,57 Euro gewähren könnte. Von der EU können die Fischer kaum Hilfe erwarten. Ein Sprecher des Bundes-Agrarministeriums erklärte auf Anfrage: »So ein Ausgleich wäre eine Betriebsbeihilfe – eine solche aber ist der EU untersagt.«

Der Ratschlag vom Amt

Gefragt, ob Niedersachsens Landwirtschaftsministerium helfen könne, antwortete dessen Sprecherin Natascha Manski: Ende März seien in einem Gespräch zwischen Agrarminister Gert Lindemann (CDU) und Dirk Sander, dem Vorsitzenden des Landesfischereiverbandes Weser, auch die Probleme der Kutterfischerei erörtert worden. Das Ministerium rate den Krabbenfischern, zum »Abfedern« vorübergehender Liquiditätsengpässe durch den Fangstopp zinsgünstige Kredite bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank aufzunehmen. Dort gebe es einen Förderbereich »Aquakultur und Fischwirtschaft«.

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