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Obama und die Geburtsurkunde

Rassistische Rufmordaktion gegen USA-Präsidenten mit neuem Tiefpunkt

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Barack Obama ist nicht nur gebürtiger Amerikaner, sondern wohl auch ein geborener Komödiant. Das demonstrierte der Präsident am Samstagabend beim alljährlichen Galadinner des Pressekorps des Weißen Hauses, als er Immobilienmogul Donald Trump auf die Schippe nahm, der mit der republikanischen Präsidentschaftskandidatur liebäugelt und von Obama einen »Beweis« forderte, dass er in den USA und nicht in Kenia geboren wurde. Obama zeigte ein »offizielles Geburtsvideo« – eine Szene aus dem Zeichentrickfilm »König der Löwen«, in dem ein kenianischer Löwe seinen Sohn Simba präsentiert. Doch gibt es einen durchaus ernsten Hintergrund.

Laut Verfassung kann in den USA nicht Präsident sein, wer nicht in einem der 50 Bundesstaaten geboren wurde. Anhänger der »Birther Movement« behaupten nun seit dem Präsidentschaftswahlkampf 2007/08 entgegen allen Beweisen, Obama sei nicht in Hawaii, sondern wie sein Vater in Kenia zur Welt gekommen, sei womöglich Staatsbürger Indonesiens (wo er mit seiner weißen US-amerikanischen Mutter Jugendjahre verbrachte) und nicht Christ, sondern Muslim. Das Thema gewann in den vergangenen Tagen solches Gewicht, dass selbst eine Schlüsselrede des Präsidenten zum Etatdefizit weniger Resonanz fand als die Verleumdungen zu seiner Herkunft.

Das veranlasste Obama jetzt zu einem spektakulären Schritt: Obwohl er bereits vor der Wahl seine Geburtsurkunde veröffentlicht hatte, die eindeutig seine Geburt am 4. August 1961, 19:24 Uhr, im Kapiolani-Krankenhaus von Honolulu, der Hauptstadt Hawaiis, belegt, ließ der Präsident von Rechtsberatern des Weißen Hauses eine Langfassung des Geburtsscheins in Hawaii beibringen und ins Internet stellen. Diese Fassung, die Details enthält, die nach hawaiianischen Bestimmungen üblicherweise bei den Behörden bleiben, deckt sich mit der amtlich für Eltern bestimmten kürzeren Version. Hawaii ist seit 1959 USA-Bundesstaat.

Obama trat zur Bekanntgabe seines Schritts vors Pressekorps des Weißen Hauses. Er verwies auf die in der Vergangenheit unterbreiteten Dokumente und erklärte: »Amerika steht aktuell vor enormen Herausforderungen. Viele Menschen suchen dringend einen Arbeitsplatz. Alle leiden unter hohen Energiepreisen. Wir müssen sehr schmerzhafte Entscheidungen darüber treffen, wie wir in unsere Zukunft investieren und gleichzeitig Defizit und Schulden unter Kontrolle bringen – und wie wir das auf vernünftige Weise angehen.« Diese Probleme, so Obama mit Verweis auf das Geburtsthema, seien nicht zu packen, »wenn wir uns von Nebenschauplätzen und Marktschreiern ablenken lassen«.

Anführer der Marktschreier war zuletzt der Immobilienhai und Multimilliardär Donald Trump, der eine Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner für 2012 erwägt. Sowohl dessen als auch erste Reaktionen anderer Republikaner zeigen, dass Obamas Hoffnung kaum erfüllt werden dürfte, die Rufmordkampagne so zum Schweigen gebracht zu haben. Trump will als nächstes auf die Veröffentlichung von Obamas Studienunterlagen drängen; sie würden zeigen, dass er kein guter Student gewesen sei.

Die »New York Times« nannte das Gezerre um Obamas Herkunft »einen außerordentlich schmutzigen Moment in Amerikas politischem Leben«. Er sei umso bitterer, als sich der Präsident gegen »eine ganz unbegründete Attacke mit starken rassischen Untertönen« wehren müsse. Bürgerrechtler Jesse Jackson sagte, die Anhänger der »Birther«-Bewegung benutzten »eine verschlüsselte Sprache, um rassische Ängste anzustacheln«. Dies sei Teil eines breiteren Versuchs, Obama zu delegitimieren und Bürger- und Gleichstellungsrechte zurückzudrängen. »Der Name ›Birther‹ ist ein harmlos klingendes Etikett für eine viel tiefer zielende, giftige Kampagne.«

Und sie wirkt: Laut einer Umfrage von »New York Times« und CBS vor vier Wochen glaubten nur 53 Prozent unabhängiger, nicht auf eine Partei fixierter Wähler und nur 41 Prozent bekennender Republikaner, Obama sei in den USA geboren. Die Verleumdungsoffensive Trumps danach vergrößerte diese Schlagseite noch. In einer kurzfristigen weiteren Umfrage war die Zahl republikanischer Wähler, die Obamas amerikanische Herkunft für gesichert hält, um weitere acht auf 33 Prozent gefallen. Welcome Wahlkampf.

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