Strategie der Eskalation
Standpunkt von Olaf Standke
Am liebsten, so der Eindruck gestern, wäre es der NATO wohl, Gaddafis jüngster Sohn lebte noch. Der britische Premierminister David Cameron machte deutlich, warum: Er verknüpfte seine Zweifel am Tod des 29-Jährigen und dreier Enkel Gaddafis mit der Rechtfertigung der NATO-Luftangriffe durch das nach wie vor beanspruchte Ziel, in Libyen Zivilisten vor dem Tod zu retten. Tote Kinder sind da offensichtlich billigend in Kauf genommene »Kollateralschäden«, wenn man auf den Despoten selbst zielt.
Denn so interpretiert nicht nur Moskau das jüngste Vorgehen des Nordatlantik-Paktes und verlangt Antworten beim nächsten gemeinsamen Treffen des NATO-Russland-Rates. Schließlich hatte man sich im Weltsicherheitsrat ein Veto gegen die Libyen-Resolution verkniffen. Was also ist wirklich durch das verschwommene UNO-Mandat abgedeckt? Was immer man Gaddafi zu Recht zur Last legen muss, die völkerrechtliche Grundlage für Tyrannenmord bietet es nicht. Und wohin soll dieser Luftkrieg gegen Gaddafis Paläste eigentlich führen? Wenn alle Angebote zur Waffenruhe und für Verhandlungen, die aus Tripolis kommen, in Brüssel wie Bengasi per se abgeschmettert werden, bliebe ja nur eine militärische Eskalation samt Enthauptungsschlag, um den Konflikt im Sinne der NATO zu lösen. Wenn das die Strategie der Allianz nach über einem Monat Krieg in Libyen ist, sind noch viel mehr zivile Opfer zu befürchten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.