Jubel fehl am Platze
Kommentar von Silvia Ottow
Suchen Sie sich mal einen guten Orthopäden, Dermatologen, Endokrinologen! Wer kennt ihn nicht, diesen schlauen Satz, hunderttausendfach gesprochen? Und dann geht sie los, diese Suche. Über das altgediente Branchenbuch und den guten Bekannten mit dem gleichen Zipperlein hinaus gibt es zwar inzwischen unzählige Internetportale, doch wer sie je in Anspruch nehmen wollte, weiß: Hier findet man auch nur Adressen und Telefonnummern. Über die Qualität kann man sich nur selbst ein Bild machen. Und wie die in regelmäßigen Abständen in Zeitschriften oder Tageszeitungen veröffentlichten Ärztelisten mit den angeblichen Supermedizinern zustande kommen, möchte ich eigentlich lieber nicht wissen.
Zwei große Krankenkassen wollen mit ihrem Ärztebeurteilungssystem Abhilfe schaffen. Zusammen mit einem Navigator soll es mehr Transparenz in die medizinische Behandlungsqualität zu bringen. Anlass zu übergroßem Jubel bietet dies jedoch nicht, denn in das System finden lediglich Patienten mit Computer, die gerade mal Lust haben, sich an der Umfrage zu beteiligen. Wer sagt mir denn, dass eine Ärztin, über die noch niemand geurteilt hat, nicht dennoch sehr empfehlenswert ist? Vielleicht behandelt sie ja viele ältere Patienten, die mit ihrer Meinung nicht so freizügig verfahren, wie man es uns heute unentwegt abverlangt – meist mit der Begründung, Verbesserungen herbeiführen zu wollen.
Eine unabhängige, fachlich begründete Zertifizierung ärztlicher Leistungen scheint eine Vision zu sein. Schade. Zusammen mit der Beurteilung durch den Patienten könnte so vielleicht endlich erreicht werden, worüber man im Gesundheitswesen seit Jahren schwadroniert.
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