Den Bauern wird der Acker knapp
Landwirtschaftsmesse agra 2011 eröffnet / Verband beklagt anhaltenden Flächenverlust
Die Uhr läuft: Im Sekundentakt gehen die Quadratmeter verloren. In Sachsen, sagt Wolfgang Vogel, der Präsident des Landesbauernverbandes, büßen die Landwirte jeden Tag 5,6 Hektar Ackerland ein. Auf den Flächen werden Straßen gebaut, Wohnhäuser und Werkhallen errichtet, Sportplätze angelegt, Stromleitungen verlegt. Seit 1991 seien auf diese Weise 38 400 Hektar verloren gegangen – Felder, auf denen genug Getreide für die Versorgung der gesamten sächsischen Bevölkerung mit Brot hätte erzeugt werden können. Es sei »ein Aberwitz, dass so wertvolles Ackerland verloren geht«, sagt Vogel. Er verweist auf das weltweite Bevölkerungswachstum, könnte aber auch die zunehmende Konkurrenz zwischen der Erzeugung von Lebensmitteln und Biomasse erwähnen. Die spielt auf der gestern eröffneten Landwirtschaftsausstellung agra 2011 eine wichtige Rolle, auf der Vogels Verband mit einer elektronischen Uhr auf das Schwinden des wichtigsten Produktionsmittels der Bauern hinweist.
950 Aussteller gibt es dieses Jahr auf der agra, zehn Prozent mehr als vor zwei Jahren. Darunter sind traditionell Agrarbetriebe, Unternehmen der Lebensmittelbranche und alle namhaften Hersteller von Agrartechnik. Viele der Aussteller befassen sich aber auch mit alternativen Energien, bauen Biogasanlagen oder erzeugen Biomasse.
Einen Verdrängungswettbewerb zwischen der Nahrungsmittel- und Energieerzeugung auf den Feldern beobachtet Klaus Kliem, Präsident des Bauernverbandes in Thüringen, jedoch nicht. Der Ausbau der Bioenergie sei »nicht schuld am Anstieg der Lebensmittelpreise«, erklärt er und betont, die Landwirtschaft habe neben Lebensmitteln von jeher auch Rohstoffe und Energie produziert. Kliem sieht eine Vereinbarkeit von »Teller und Tank« und betont, es seien genug Kapazitäten zum Anbau von Energiepflanzen vorhanden, zu denen neben Raps und Mais auch Holz gehöre, wie es auf Plantagen mit schnell wachsenden Bäumen erzeugt werden könne.
In den Hallen und dem Freigelände auf dem Leipziger Messegelände wird über entsprechende Technologien informiert; auch Energiegenossenschaften oder Hersteller von Solarzellen wollen mit Landwirten in Kontakt kommen. Daneben wird für Melkanlagen ebenso geworben wie für Maschinen zur Getreideverarbeitung; Baumaterialien für Silos werden ebenso präsentiert wie Geräte für das »precision farming«, also die computergesteuerte Bearbeitung der Felder. Die sei für Landwirte längst Alltag, betont Frank Zedler, Bauernpräsident aus Sachsen-Anhalt. Das soll auf der agra vor allem den jungen Besuchern nahegebracht werden – der Berufsstand brauche dringend Nachwuchs, sagt Zedler. Gezeigt werden soll daher, dass die »grünen Berufe« nicht nur zur Arbeit mit Mistgabel und in Gummistiefeln befähigen, sondern mit Hightech-Maschinen: »Ein moderner Mähdrescher«, sagt Zedler, »kostet so viel wie ein Einfamilienhaus.«
Messebesucher bekommen diese Maschinen gezeigt, aber auch etwa 1100 Tiere – vom Angus-Superbullen »Fredo« bis zum Kaninchen. An vielen Ständen kann zudem verkostet werden; die Herstellung von Käse oder Butter wird erklärt, in Vorträgen zu sicheren Lebensmitteln informiert. Bei der bis Sonntag andauernden Messe biete sich dem Berufsstand die Gelegenheit, sein »Renommee zu verbessern und gerade zu rücken«, sagte Frank Kupfer, CDU-Agrarminister in Sachsen und Schirmherr.
Zum Programm der Messe gehören zudem Fachforen, gestern unter anderem zur Agrarpolitik der EU ab 2013. Dietmar Berger, der Präsident des Mitteldeutschen Genossenschaftsverbandes, warnte bei der Gelegenheit erneut vor einer Kappung der Direktzahlungen für die Agrargenossenschaften und mahnte alle Vertreter bäuerlicher Mehrfamilienbetriebe zu geschlossenem Vorgehen. Sachsens Staatsregierung und der Landtag müssten dazu eine verlässliche und klare Haltung beziehen. Im Verband sind 260 Agrargenossenschaften organisiert, dazu Direktvermarkter, die auf der agra ausstellen.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.