»Morgen werde ich gehenkt«
Ausstellung über GewerkschafterInnen unter dem Naziterror im Berliner DGB-Haus eröffnet
Die vom Gewerkschafter und Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner überlieferten letzten Worte: »Morgen werde ich gehenkt. Schafft die Einheit!«, stünden für die GewerkschafterInnen unter dem Naziterror, denen die Ausstellung gewidmet ist. »Uns eint das entschiedene Eintreten gegen die Menschenverachtung«, sagte DGB-Vize Annelie Buntenbach. Sie eröffnete am 2. Mai, dem Jahrestag der Zerschlagung der Gewerkschaften im Jahr 1933, gemeinsam mit dem Historiker und Leiter der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, die Ausstellung »Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht«.
Zusammen mit Morsch hat Siegfried Mielke von der Freien Universität Berlin in einem Projekt mit Studierenden über Jahre Biografien von GewerkschafterInnen erforscht und aufgeschrieben, die von den Nazis eingekerkert und oft umgebracht wurden. Das Ergebnis ist im Berliner DGB-Haus zu sehen. Übersichtlich und ansprechend gestaltete großflächige Schautafeln, bebildert mit Dokumenten und Porträtfotos der GewerkschafterInnen, erzählen Geschichten von Leid und Folter aber auch von Widerstand und Wiederaufbau nach dem Ende der Nazis. Ergänzt wird die Ausstellung mit einer 240-seitigen Broschüre, die vier Euro kostet.
Viele derer, die den Terror überlebt haben, waren am Wiederaufbau der Gewerkschaften beteiligt. Beispielsweise Willi Rößler: Der 1884 in Halle geborene gelernte Former und Mitglied von SPD und USPD war ab 1918 Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiterverbandes (heute IG Metall) in Halle. Von der Gestapo 1935 verhaftet und in Verhören brutal misshandelt, überlebte er bis 1945 die KZ Sachsenburg, Buchenwald und Dachau. Nach der Befreiung 1945 kehrte er nach Halle zurück, trat wieder in die SPD ein und später in die SED. Nach Streit und Parteiausschluss flüchtete Rößler 1948 nach West-Berlin und weiter ins Ruhrgebiet. Bis zur Rente 1954 war er dort IG Metall-Sekretär und nahm 1949 am Gründungskongress des DGB teil. Rößler starb 1959.
Seine Biografie wie auch die von vielen anderen GewerkschafterInnen sind heute fast vergessen. Allein das macht die Ausstellung wichtig. Aber nicht nur: Für Günter Morsch ist sie ein »Gegengewicht gegen die offizielle Gedenkkultur in Deutschland«. Es sei »heute ohne öffentlichen Widerspruch wieder möglich, über den deutschen Widerstand gegen die Nazis zu reden, ohne den gewerkschaftlichen Widerstand auch nur mit einer Silbe zu erwähnen«.
»Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht. Gewerkschafter in Konzentrationslagern 1933-1945.« Noch bis 30. Juni im DGB-Haus am Hackeschen Markt, Berlin. Montag bis Samstag, 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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