War die City BKK nur der Anfang?

Karl Lauterbach: Kopfpauschale wird auch gesunde Kassen ins Aus treiben

  • Lesedauer: 3 Min.

ND; Nach der Pleite der City BKK ist jetzt bereits eine zweite Krankenkasse, die Düsseldorfer Vereinigte IKK, in einer finanziellen Notlage. Kann man da noch von einem Einzelfall sprechen oder ist zu befürchten, dass bald weitere Kassen pleite gehen werden?
Lauterbauch: Die City BKK hatte schon lange große finanzielle Probleme. Daher muss man hier schon von einem Sonderfall sprechen. Andererseits müssen wir für die nächsten Jahre mit einer kontinuierlich steigenden Kopfpauschale rechnen. Dass wir derzeit eine kleine Ruhepause haben, liegt daran, dass die Beitragssätze erhöht wurden, so dass viele Kassen jetzt noch einmal so über die Runden gekommen sind. Die FDP hofft, sich damit noch über die nächste Bundestagswahl retten zu können.

Aber spätestens ab 2013 wird die von ihr eingeführte Kopfpauschale dann flächendeckend kommen und könnte die Versicherten im Jahr 2014 dann schon monatlich 50 Euro und mehr kosten. Dies wird viele Kassen in eine schwierige Lage bringen: Ihnen droht womöglich ein Mitgliederverlust in solchem Umfang, dass ihre Liquidität eng wird.

Sowohl die City BKK wie auch jetzt die IKK machen dagegen den Gesundheitsfonds für ihre Probleme verantwortlich. Sie beanstanden, dass der Fonds regionale Unterschiede nicht ausgleiche ...
Der Gesundheitsfond hat mit diesem Problem überhaupt nichts zu tun. Es geht wirklich allein um die nach oben offene Kopfpauschale und die Deckelung der Arbeitgeberbeiträge, die die FDP durchgesetzt hat. Tatsächlich gleicht der Fonds Differenzen zwischen den Kassen aus, auch auf regionaler Ebene.

Es war aber der Zusatzbeitrag, der die City BKK in die Pleite getrieben hat. Hätte sie diesen nicht nehmen müssen und dadurch massenhaft Mitglieder verloren, dann wäre der Fonds für sie ohne Bedeutung gewesen.

Hätte die Pleite überhaupt verhindert werden können?
Ich persönlich glaube das nicht. Die Kasse war notorisch schlecht gemanagt und hätte auch in einem ganz normalen Beitragssatzsystem mittelfristig große Probleme bekommen. Der Zusatzbeitrag hat das Ende daher nur beschleunigt.

Aus meiner Sicht stellt die Insolvenz dieser Kasse unser Gesundheitssystem auch nicht vor unlösbare Probleme. Aber dahinter steht ein viel gravierenderes Grundproblem: Es ist ja so, dass gerade die Kassen Zusatzbeiträge nehmen müssen, die viele ältere, weniger verdienende oder kranke Versicherte zu ihren Mitgliedern zählen.

Der Erhalt von Krankenkassen darf kein Selbstzweck sein. Wir brauchen nicht so viele Kassen, wie es sie jetzt gibt. Ich glaube, wir kämen auch mit 30 bis 50 Krankenkassen gut über die Runden. In dem System, das wir jetzt haben, scheiden aber nicht die Kassen aus, die im Wettbewerb schlechte Qualität und schlechtere Angebote bringen, sondern jene, die eine weniger günstige Mitgliederstruktur haben – das können auch gut organisierte, wirtschaftlich arbeitende Kassen sein. Das ist das eigentliche Problem. Und das ist natürlich auch unsozial.

Wie ließe sich das besser steuern?
Ich halte nichts davon, das bestehende System durch kleine Korrekturen noch einmal zu verändern. Wir brauchen mehr echten Wettbewerb und weniger Unterschiede zwischen privat und gesetzlich Versicherten.

Deshalb sind wir für die Einführung einer Bürgerversicherung, in der diese Unterschiede aufgehoben werden. Wer mehr verdient, soll sich auch stärker an der Finanzierung dieses Systems beteiligen. Die Leistungen müssen für alle Versicherten jedoch gleich gut sein.

Fragen: Ina Beyer

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