LINKE fordert Staatsminister Ost
Interessen der neuen Bundesländer derzeit nicht am Kabinettstisch vertreten
Kleine Preisfrage: Kennen Sie den Namen des momentanen Ostbeauftragten der Bundesregierung? Nein? Damit dürften Sie sich zur Mehrheit der Bundesbürger zählen. Seit März dieses Jahres ist der Staatssekretär und ehemalige CDU-Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Christoph Bergner, Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer. Der studierte Agraringenieur erbte dieses Amt von Innenminister de Maizière, der aufgrund einer Kabinettsumbildung ins Verteidigungsressort wechselte. Der Verteidigungsminister als Ostbeauftragter – das hätten viele Ossis wohl als Provokation empfunden.
Der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kam als gelernter Bayer ohne einschlägige Osterfahrungen nicht in Frage. Immerhin konnte sein Vorgänger, der in Bonn geborene Thomas de Maizière, auf eine politische Nachwendekarriere in Sachsen verweisen. Das prädestinierte ihn in den Augen der Kanzlerin für das Amt. Doch als Mann der leisen Töne war de Maizière kein wahrnehmbarer Fürsprecher ostdeutscher Interessen. Aber immerhin saß der Minister am Kabinettstisch. Das ist nun vorbei. Denn der neue Ostbeauftragte Bergner ist lediglich Parlamentarischer Staatssekretär und somit kein Mitglied der Bundesregierung.
Kritik an dieser deutlichen Abwertung des Amtes kommt vor allem von der Linkspartei. »Ostdeutsche Belange sind am Kabinettstisch nun nicht mehr vertreten«, betonte etwa die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, am Dienstag in Berlin.
Ihre Fraktion fordert nun per Antrag einen eigenen Staatsminister für Ostdeutschland. Der Bundestag wird sich während seiner heutigen Sitzung mit dem Vorstoß beschäftigen. Die LINKE dringt darauf, die Funktion des Beauftragten für die Neuen Länder in einen »Staatsminister für Ostdeutschland umzubenennen«. Doch diese Umbenennung soll keinesfalls nur symbolischen Charakter haben. Der neue Ostbeauftragte soll nach Vorstellung der LINKEN zum Staatsminister des Bundeskanzleramtes bestellt werden. Ferner müsste die Geschäftsordnung der Bundesregierung entsprechend angepasst werden, heißt es in dem Antrag. So müsste der Staatsminister auch das Recht zur Beteiligung »an allen Angelegenheiten von grundsätzlicher politischer Bedeutung in Form von Gegenzeichnung« erhalten.
Rein rechtlich stünde dem Vorhaben nichts im Wege. Einen entsprechenden Vorschlag von Kanzlerin Merkel vorausgesetzt, könnte Bundespräsident Christian Wulff dem Parlamentarischen Staatssekretär das Recht verleihen, die Bezeichnung Staatsminister zu führen.
Der Vorschlag der LINKEN ist also keinesfalls abwegig. Zumal der erste »waschechte« Ostbeauftragte der Bundesregierung, Rolf Schwanitz, von 1998 bis 2002 offiziell als Staatsminister beim Bundeskanzler firmierte. Dafür wurde dem bis dato zuständigen Bundeswirtschaftsministerium einfach der entsprechende Geschäftsbereich entzogen. Erst nach der Bundestagswahl im Jahre 2002 wurde das Amt dem damaligen SPD-Verkehrsminister Manfred Stolpe übergeholfen.
Wie nötig ein starker und mit erweiterten Kompetenzen ausgestatteter Ostbeauftragter ist, zeigt auch die momentane Diskussion um den Solidaritätszuschlag. Viele Länderchefs aus dem Westen wollen die Hilfen für den Osten endgültig streichen.
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