Arbeitsgruppe für Eckpunkte zu Sicherungsverwahrung
Länderjustizminister wollen bis August Ergebnisse sehen
(ND-Wallrodt/dpa). Die Justizminister der Länder haben am Donnerstag in Halle erste Eckpunkte und einen Fahrplan für die Reform der Sicherungsverwahrung vereinbart. Demnach seien für Straftäter, bei denen Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten ist, schon im Strafvollzug Therapieangebote »zwingend vorzusehen, um Sicherungsverwahrung möglichst zu vermeiden«. Konkretere Details wurden noch nicht beschlossen. Vielmehr forderten die Ressortschefs den Bund auf, Leitlinien für ein »freiheitsorientiertes Konzept« der Sicherungsverwahrung zu erarbeiten, auf deren Grundlage dann Vollzug und Unterbringung ausgestaltet werden soll. Die Länder wollen an der Erarbeitung beteiligt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai die jetzige Form der Sicherungsverwahrung für rechtswidrig erklärt und eine Neufassung bis 2013 gefordert. So muss sich künftig die Unterbringung von Straftätern, die über ihre Haftstrafe hinaus eingesperrt bleiben, weil sie als gefährlich gelten, deutlich von Strafhaft unterscheiden. Zudem muss eine intensive therapeutische Betreuuung eine realistische Chance auf Freilassung ermöglichen, hatten die obersten Richter verlangt.
Die Justizminister stehen unter erheblichem Druck. Jahrelange Versäumnisse müssen nun in relativ kurzer Zeit neu organisiert werden. Nach dem Plan der Länder soll der Bund die Eckpunkte bis spätestens 31. August vorlegen. Ein neues Gesetz müsse bis zum 30. Juni 2012 beschlossen sein, damit die Länder bis zum 31. Mai 2013 die Möglichkeiten für Unterbringung und Behandlung schaffen können.
Die Länder rechnen mit Millionenkosten für die Reform. Nach ihrer Vorstellung soll der Bund dafür aufkommen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnte das jedoch ab. Der Strafvollzug sei Aufgabe der Länder, »der Bund sieht keine verfassungsrechtliche Möglichkeit, das mizufinanzieren«, sagte sie.
Um Kosten zu sparen, wollen die Länder gemeinsame Einrichtungen für die Sicherungsverwahrung schaffen. So wird es in Deutschland in Zukunft wahrscheinlich vier bis sechs Zentren geben, wie Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) ankündigte. Gemeinsam mit seiner Bayerischen Kollegin Beate Merk (CSU) preschte er zudem beim geplanten bundesweiten Einsatz von elektronischen Fußfesseln für Straftäter vor. Sie vereinbarten, dass in Hessen eine Zentrale entstehen wird, die die Überwachung koordiniert. Zunächst nur in den beiden Ländern. Die Minister gehen aber davon aus, dass auch die anderen Bundesländer dem Staatsvertrag noch beitreten.
Weitere Themen und Beschlüsse
Gegen den Widerstand der Unions- und FDP-geführten Länder sprachen sich die Justizminister mehrheitlich für eine verbindliche Frauenquote in den Führungsetagen von Firmen aus. Demnach soll es für alle Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen eine gesetzliche Mindestquote geben: zunächst von 30 Prozent, fünf Jahre später von 40 Prozent. Auch für Vorstände wird eine Quote gefordert.
Einstimmig beschlossen wurde die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes, nach dem die Jobcenter künftig an den Gerichtskosten für Hartz-IV-Klagen beteiligt würden. Dadurch soll der Anreiz wachsen, solche Verfahren bereits im Vorfeld zu vermeiden.
Einig waren sich die Minister auch an diesem Punkt: Drahtzieher sogenannter Schneeball- oder Pyramidensysteme sollen künftig bis zu fünf Jahre in Haft – statt bislang maximal zwei Jahre. Die Initiatoren dürften nicht mehr davon ausgehen, mit Bewährungsstrafen davon zu kommen, hieß es.
Zudem wollen die Justizminister den Schutz von Opfern schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten verbessern. Den Gerichten soll es in bestimmten Fällen ermöglicht werden, dem Straftäter neben der eigentlichen Strafe ein Distanzgebot zu seinem Opfer aufzuerlegen. Eine Arbeitsgruppe soll nun konkrete Vorschläge entwickeln. dpa/ND
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