Prima Wasser im Betonrohr
Rheinland-Pfalz hat 24 500 Kilometer Flüsse und Bäche – zu viele fließen in künstlichen Betten
Mainz. Rund 24 500 Kilometer lang sind die Bäche und Flüsse von Rheinland-Pfalz. Sie machen zusammen mit den Seen das Wasserreservoir des Landes aus. Die Gewässer sind Lebensraum für eine Fülle von Pflanzen und Tieren – allein rund 50 Fischarten leben inzwischen wieder in Rheinland-Pfalz. Die Wasserqualität hat sich vielerorts in den vergangenen 30 Jahren deutlich verbessert, vor allem mit dem Bau von Kläranlagen. Naturschützer mahnen dennoch: Viele Flüsse und Bäche brauchten noch mehr Raum und Zeit, um sich natürlich entwickeln zu können.
Was nützt »supertolles Wasser im Betonrohr«?, fragt sich etwa der Biologe Holger Schindler vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Mainz. Bei drei Vierteln aller Flüsse, Bäche und Seen im Land bestehe Handlungsbedarf, viele Fließgewässer seien in Rohre gelegt oder begradigt worden.
Eintausend Messstellen
Rund 26 Prozent der Gewässer in Rheinland-Pfalz erreichen inzwischen nach Angaben des Landesumweltamtes einen guten ökologischen Zustand, rund ein Drittel wird immerhin mit »mäßig« bewertet. Die Note »unbefriedigend« oder gar »schlecht« bekommen 24 beziehungsweise 16 Prozent. Die Experten überwachen an rund 1000 Messstellen die Güte der Oberflächengewässer. Zusätzlich nimmt das Mess- und Untersuchungsschiff MS Burgund auf den schiffbaren Flüssen Proben.
»Die Wasserqualität an sich ist okay«, sagt Schindler. Seit den 70er Jahren habe sich der Zustand verbessert. Aber es gibt auch Kritik. Bauern rückten mit ihren Feldern oft zu nah an Bäche heran, der Biologe fordert einen Abstand von fünf bis zehn Metern. Dann könnten sich Bäume und Büsche am Ufer breitmachen. Totholz und Laub, das ins Wasser fällt, böten Lebensraum für kleine Tiere. Zuviel nachhelfen sollten Ingenieure und andere Helfer bei der Renaturierung nicht. »Die Natur lässt sich nicht bauen.«
Eine der wichtigsten Aufgaben beim Umweltschutz bestehe darin, noch mehr Gewässer für Fischwanderungen durchgängig zu machen, sagt Peter Loch, Abteilungsleiter für den Gewässerschutz beim Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht in Mainz. Dies bedeutet etwa, alle Wehre und Staustufen des Landes mit Fischtreppen auszustatten. Noch mehr befestigte und begradigte Gewässer sollten wieder in ihren natürlichen Zustand zurückgebaut werden, sagt auch Loch. Hier stünden solche Flüsse und Bäche auf der Dringlichkeitsliste ganz oben, bei denen der Mensch besonders stark in den ursprünglichen Lebensraum eingegriffen habe.
Vor allem am Rhein und an den meisten Seen fehlen ruhige naturnahe Ufer, bemängelt Peter Keller, Vorsitzender der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz. »Richtige natürliche oder naturnahe Lebensräume sind absolute Mangelware.«
Nützliche Sandbänke
Damit fehlten Lebensräume für die heimische Fischfauna, sagt Keller. »Da viele Wasservögel davon abhängig sind, ist die Situation für die Wasservögel auch nicht sehr gut, höchstens ausreichend, meist jedoch mangelhaft.« Viele lebten von kleinen Muscheln, erklärt der Experte. »Wenn aber Sand- oder Kiesbänke in den Gewässern fehlen, dann fehlen auch die Muscheln und damit die Tauchenten, wie Reiher-, Tafel- oder Schellenten.« Schlamm- oder Sandbänke, die zeitweise trockenfallen, suche man in Rheinland-Pfalz fast vergebens. In solchen Lebensräumen finden jedoch die Watvögel wie Regenpfeifer und Wasserläufer ihr Futter. »Auch da besteht Nachholbedarf.«
Die rheinland-pfälzischen Flüsse und Bäche sind geprägt durch die Landschaften der Mittelgebirge Eifel, Westerwald, Hunsrück und Pfälzerwald. Dementsprechend haben die meisten ein hohes Gefälle, ein steinig-kiesiges Bett und eine teils turbulente Strömung. Die wichtigsten Fließgewässer sind der Rhein mit 295 Kilometern Fließstrecke in Rheinland-Pfalz, die Mosel (232 Kilometer), die Lahn (57 Kilometer), die Saar (26 Kilometer in Rheinland-Pfalz) .
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