Einer der besten Züge meines Lebens
Seit 20 Jahren spielt Artur Jussupow Schach in Deutschland und am Samstag simultan beim Pressefest
ND: Seit 20 Jahren leben Sie nun in Deutschland. Sind Sie immer noch zufrieden mit Ihrer Entscheidung?
Jussupow: Sehr. Seit 1996 bin ich deutscher Staatsbürger. Das Land ist meine zweite Heimat geworden, hier sind meine beiden Kinder geboren. Als meine Frau und ich hier eintrafen, konnten wir die Sprache nicht. Es war ein großer Reiz, eine neue Kultur und viele schöne Landschaften kennenzulernen.
Welche Umstände führten einst zum Verlassen der Heimat?
Ein Raubüberfall 1990 in meiner Moskauer Wohnung war auslösendes Moment. Dadurch war es psychologisch leichter, die Heimat zu verlassen. Damals begann für mich praktisch ein zweites Leben. Dieser Wechsel war einer der besten Schachzüge meines Lebens. Es war wie eine zweite Geburt.
Mit der Sowjetunion holten sie fünfmal Olympiagold. Fünfmal starteten Sie auch für den Deutschen Schachbund. Welche Olympiade war Ihre schönste?
Die von Istanbul 2000, weil die Silbermedaille für Deutschland so überraschend war. Wir hatten eine tolle Mannschaft mit Uwe Bönsch, Robert Hübner, Klaus Bischoff und den anderen. Dass wir uns großartig verstanden, war sehr stimulierend.
Was macht Schach aus?
Es formt einen Menschen. Ich habe durch die intensive Beschäftigung mit dem Spiel meine Konzentration, die Verarbeitung von Informationen sowie das strategische Denken verbessert – und gelernt, mit Siegen und Niederlagen umzugehen.
Warum schreiben Sie Schachbücher für den Nachwuchs?
Schach kann sehr zur Entwicklung junger Menschen beitragen. Wir sollten das ungeheure Potenzial des Spiels noch mehr ausschöpfen. In unserer hektischen Welt kann Schach als Oase der Ruhe und Konzentration ein Gegengewicht schaffen. Und es vermittelt, wie man eigene Ideen entwickelt. Die Bücher wurden 2009 vom Weltverband FIDE ausgezeichnet.
Auch die Jussupow-Schachakademie hat großen Zulauf.
Ich möchte Deutschland damit etwas zurückgeben. Schach ist für diese Kinder eine unglaublich wichtige Sache. Haben sie darin Erfolg, tanken sie Selbstbewusstsein für das ganze Leben. Auch wenn sie nicht Großmeister werden, profitieren sie davon für ihren Beruf und können erfolgreiche Karrieren in anderen Bereichen starten.
Sie kommentierten für das ND die Schach-WM 2010 und nahmen die Einladung zum Simultan beim Pressefest spontan an.
Das habe ich sehr gern getan. Ich schätze Zeitungen, die regelmäßig über Schach berichten. Schach ist und bleibt ein Teil des Weltkulturerbes. Es gibt keinen anderen intellektuellen Sport, der einen so großen Reiz hat und den Menschen so viel Nutzen bringt.
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