Gewiefter Stratege übergibt an Zuhörerin
Kramp-Karrenbauer will Saarland christdemokratischer und die Christdemokraten diskussionsfreudiger machen
Die 48-jährige Frau an der Spitze der Landespartei bekam mit über 95 Prozent Zustimmung einen Vertrauensvorschuss – gepaart mit einer gehörigen Portion Erwartungshaltung. Nach der fast 16-jährigen Müller-Ära will Kramp-Karrenbauer – derzeit auf Zuhörtour an der Basis – die Partei wieder zu einer »Stätte spannender und lebendiger Diskussion« machen.
Der Weg dorthin dürfte alles andere als leicht sein. Denn die Partei, zehn Jahre absolute Mehrheit gewohnt, hatte bei der Landtagswahl 2009 einen Absturz von 47,5 auf 34,5 hinnehmen und etliche Kröten im Koalitionsvertrag mit FDP und Grünen schlucken müssen. Ein Brocken, der noch lange nicht verdaut ist. Zum neuen Parteivize hatten die Delegierten erwartungsgemäß Innenminister Stephan Toscani gewählt, der selbst lange Zeit als möglicher Müller-Nachfolger im Gespräch war. Und sie gaben ihm sogar zwei Stimmen mehr als der neuen Chefin. Da mag sich mancher noch an den eindringlichen Hinweis aus Müllers Abschiedsrede erinnern. Der hatte die große Geschlossenheit der Partei als eine ihrer größten Stärken betont. Egal, wie es es Zoff gegeben habe, »nach draußen gedrungen ist nichts«. Müller hatte sich gewohnt rhetorisch brillant verabschiedet, aber auch seiner Partei eindringlich mit auf den Weg gegeben, Politik aus ihrem »Markenkern«, dem christlichen Menschenbild heraus zu gestalten.
Dass Bundesparteichefin und Kanzlerin Angela Merkel ihn einer Videobotschaft vom G-8-Gipfel als »gewieften Strategen« würdigte, war sicherlich eine Genugtuung für das politische Alphatier. Sichtlich gefreut hat er sich jedenfalls, als der Parteitag ihn per Akklamation auf Vorschlag seiner Nachfolgerin zum Ehrenvorsitzenden erhob.
Der zweite Teil seines Abschieds von der aktiven Politik soll am 10. August folgen, wenn der Landtag mit Annegret Kramp-Karrenbauer zum ersten Mal eine Frau an die Regierungsspitze des Landes wählen will.
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