Windfang auf Pellworm
Auf einer kleinen Wattenmeerinsel wird ein besonderes energiewirtschaftliches Modell erprobt
Pellworm. Pellworm – ein Dritte-Welt-Land? Die kleine Insel im schleswig-holsteinischen Wattenmeer mit den properen Höfen? Nein, so denkt der Besucher als allererstes. Und dennoch, manchem Insulaner erscheint seine Heimat manchmal so, etwa dem Inselarzt Uwe Kurzke. »Pellworm ist vergleichbar einem Dritte-Welt-Land«, behauptet er. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: »Wir haben viele Ressourcen, aber sie werden woanders veredelt, und die Gewinne werden woanders gemacht.«
Pellworms Rohstoffe sind Wind, Sonne und Biogas. Schon heute wird auf der Insel rein rechnerisch mehr Strom erzeugt als verbraucht wird, und die Kohlendioxidbilanz ist negativ.
Die Insulaner möchten das Geschäft noch ausbauen, und »deshalb ist es nötig, dass E.on Hanse sich um eine vernünftige Seekabelanbindung ans Festland kümmert«, sagt Kurzke, der Vorsitzender des Arbeitskreises Energie auf der Insel ist. Noch reicht die Kapazität des vorhandenen Kabels, aber Pellworm möchte seinen Strom noch stärker exportieren können.
Proteste kamen auf
Rund 25 500 Megawattstunden (MWh) Strom gewinnen die Pellwormer bereits jetzt jedes Jahr aus Alternativen Energien – etwa doppelt so viel, wie sie verbrauchen. Und sie haben sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Bis zum Jahr 2015 sollen es knapp 32 600 MWh pro Jahr sein, fünf Jahre später 41 500 – bei einem erweiterten Windpark am Tiefwasseranleger sogar 76 000, heißt es in einem Masterplan Energie.
Erzeugt wird der Strom im Windpark und der Biogasanlage, die im Besitz von Inselbewohnern sind. Hinzu kommt eines der größten Hybridkraftwerke Europas, das dem Energieriesen E.on Hanse gehört. Es besteht aus einem großen Solarfeld und einer Windkraftanlage.
Im Jahr 1983 baute die Schleswag, die in der E.on Hanse aufgegangen ist, ein Solarkraftwerk, damals das größte in ganz Europa. Als Mitte der 90er Jahre die ersten größeren Windkraftanlagen installiert werden sollten, kamen Proteste auf. »Das Thema wurde sehr kontrovers diskutiert, das war nicht sehr einfach für die Insel«, sagt Kurzke.
Ein Arbeitskreis eruierte deshalb, wie alle davon profitieren können. Das Ergebnis ist ein Bürgerwindpark, an dem sich 42 Familien beteiligen – eine gute Quote, Pellworm hat nur rund 1100 Einwohner. Geplant ist, den auf Pellworm erzeugten Strom den Insulanern zu einem günstigeren Preis anzubieten.
Es wird zwar immer noch gestritten, diskutiert, der eine oder andere Kampf ausgefochten – im Großen und Ganzen sind sich die Pellwormer aber einig, dass die Energieproduktion ein positives Thema ist. »Die Akzeptanz hängt damit zusammen, dass die Erzeugung von Energie für viele Familien das zweite oder dritte Standbein ist«, erläutert Walter Fohrbeck, der von der Gemeinde aus das Thema Energie koordiniert. Das erste Standbein ist die Landwirtschaft, das zweite ist der Tourismus.
Export einer Idee
Neben der Energieerzeugung haben sich die Insulaner dem Energiesparen verschrieben. Im Jahr 2010 hatte Pellworm eine negative Kohlendioxid-Bilanz und zwar einschließlich Verkehr und Heizung, berichtet Kurzke. In den kommenden Jahren sollen 50 000 Tonnen mehr Kohlendioxid eingespart werden als auf dem 37 Quadratkilometer großen Eiland verbraucht werden.
Die Pellwormer wollen aber nicht nur Kohlendioxid sparen und ihre Energie exportieren, sondern auch die Idee, die dahinter steckt. Wenn die Urlauber etwas davon nach Hause mitnähmen und für den Klimawandel sensibilisiert würden, dann sei schon viel erreicht, sagt Kurzke.
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