Nagelprobe für Brasiliens Präsidentin
Vergangene Woche ließ Brasiliens Agrarlobby ihre Muskeln spielen: Im Abgeordnetenhaus von Brasília gab es deutliche Mehrheiten für ein neues Waldgesetz, das die ganz legale Zerstörung von weiteren 220 000 Quadratkilometer Primärwald bedeuten würde – fast so viel wie die Fläche Großbritanniens. Die Schutzgebiete auf Bergkuppen, an Hügeln, Flussufern oder in Quellgebieten sollen weiter reduziert werden. Dabei kommen schon jetzt jedes Jahr Hunderte von Brasilianern bei Erdrutschen ums Leben, die mit der Entwaldung und Besiedelung solch kritischer Gebiete zusammenhängen. Schließlich würden die Urwaldzerstörer der letzten Jahrzehnte bis einschließlich 2008 straffrei ausgehen.
Nun geht die Novelle in den Senat, mit einem Ergebnis wird erst in Monaten gerechnet. In letzter Instanz könnte Präsidentin Dilma Rousseff ihr Veto einlegen. Sie hatte im Wahlkampf 2010 gelobt, zumindest keine Amnestie für große Umweltsünder zuzulassen. Allerdings ist ihr Spielraum begrenzt: Die Agrarlobby mit ihrer enormen Wirtschaftsmacht dominiert auch in ihrer breiten Regierungskoalition. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt dabei der Kommunist Aldo Rebelo, der dem Gesetzesentwurf als Berichterstatter mit allen parlamentarischen Tricks zum Durchbruch verhalf. Doch während das politische Establishment mit allzu wenigen Ausnahmen einem überholten Fortschrittsbegriff aus dem 20. Jahrhundert anhängt, wächst in der Zivilgesellschaft der Widerstand. Landlose, Teile der Kleinbauern, Umweltschützer, Wissenschaftler und Verbraucher bilden eine Allianz, die sich darum bemüht, das Schlimmste zu verhindern. Auf dem Spiel steht die Zukunft des Regenwaldes – aber auch der gute Ruf Brasiliens, das in einem Jahr den Umweltgipfel Rio+20 ausrichten wird. Präsidentin Rousseff, nicht gerade als Grüne bekannt, steht vor einer enormen Herausforderung.
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