Pachtvertrag von 1980 für 99 Jahre – wann darf ich kündigen?
Leserfrage: Pachtvertrag und Schuldrechtsanpassungsgesetz
Wir hatten mit Wirkung vom 1. Oktober 1980 im Bezirk Halle/Saale einen Vertrag über die »Verpachtung eines Gartengrundstücks« für die Dauer von 99 Jahren abgeschlossen. Welche Rechtsvorschriften geben Auskunft über eine Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt und über die Pflichten im Zusammenhang mit einer eigenen Kündigung des Nutzers? In den Auskünften des Ratgebers wird bei Veröffentlichungen zu vergleichbaren Fragestellungen regelmäßig auf das Schuldrechtsanpassungsgesetz (Schuld-RAnpG) und auf das BGB Bezug genommen – in welchem Verhältnis stehen diese Rechtsvorschriften zueinander und zu jenen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses galten?
Jürgen K., Halle/S.
Als Sie 1980 den Vertrag schlossen, galt das ZGB – in den §§ 312-315 war die »Nutzung von Bodenflächen zur Erholung« geregelt. Das ZGB kannte die Pacht als Rechtsinstitut nicht mehr – Ihr Vertrag war daher unrichtig bezeichnet. Seinem gewollten Inhalt nach wurde er als Vertrag nach den §§ 312 ff. betrachtet.
Auffällig ist an dem Vertrag, dass er eine Laufzeit von 99 Jahren vorsieht. Zwar ließ das ZGB in § 312 Abs. 2 auch den befristeten Abschluss von Verträgen zu – allerdings nur bei »gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen«, die im Vertrag anzugeben waren. Den Regelfall sollten unbefristet abgeschlossene Verträge bilden. Das vorliegende Vertragsexemplar enthält keine Angaben zu den Gründen der Befristung, so dass in der DDR die Befristung nicht wirksam geworden wäre.
Zunächst galt das Zivilgesetzbuch
Für den Zeitraum ab 3. Oktober 1990 galt gem. Art. 232 § 4 EGBGB zunächst weiterhin das ZGB, bis mit Wirkung vom 1. Januar 1995 das SchuldRAnpG in Kraft trat. Es nahm im § 6 eine »gesetzliche Umwandlung« u. a. der Bodennutzungsverträge vor, sie wurden entweder dem Mietrecht oder dem Pachtrecht des BGB unterworfen – abhängig vom Kriterium der Fruchtziehung. Der vorliegende Vertrag betont ausdrücklich die Gartennutzung – regelmäßig verbunden mit Fruchtziehung, d. h. zur Anwendung kam das Pachtrecht des BGB, §§ 581 ff. BGB mit zahlreichen Weiterverweisungen auf das Mietrecht, §§ 535 ff. BGB.
Allerdings erforderten bestimmte Sachverhaltskonstellationen eine differenziertere Handhabung. Nicht jede fehlerhafte Handhabung im Hinblick auf das ZGB musste unter den neuen Bedingungen des BGB auch als fehlerhaft angesehen werden, wenn sich daraus keine Benachteiligungen für die Beteiligten ergaben und anzunehmen ist, dass sie auch bei einer Vorausschau der gesellschaftlichen Veränderungen die Vereinbarung so getroffen hätten – § 6 Abs. 2 SchuldRAnpG.
So könnte es sich z. B. bezüglich der Sachverhalte mit langer Vertragsdauer verhalten. Die Verweisung im Pachtrecht auf das Mietrecht führt in diesem Fall zu § 544 BGB. Demnach kann bei Pachtverträgen mit einer längeren vereinbarten Laufzeit als 30 Jahre jeder Partner nach Ablauf dieser Frist »außerordentlich mit der gesetzlichen Frist« kündigen. Nach §§ 573 d BGB bedeutet das: Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats. Bei Vertragsabschluss ab 1. Oktober 1980 steht Ihnen folglich diese Kündigungsmöglichkeit ab 1. Oktober 2010 offen.
Zur Rodung verpflichtet?
Weiterhin fragen Sie danach, ob Sie – wie von Ihnen verlangt – zur Rodung des von Ihnen stammenden Aufwuchses verpflichtet sind (Obstgehölze ausgenommen). Dies wird von Ihnen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Regelungen verlangt.
Grundsätzlich haben Sie das Pachtobjekt in dem Zustand zurückzugeben, in dem Sie es übernommen haben. Aus dem Vertrag wird dieser Zustand jedoch nicht deutlich, klar ist auch nicht, welche Rechte und Pflichten Sie bezüglich der Bewirtschaftung hatten. Sie etwa treffende zivilrechtliche Rodungspflichten können natürlich nur im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Regelungen erfüllt werden.
Prof. Dr. JOACHIM GÖHRING,
Rechtsanwalt, Berlin
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