Russland verzichtet auf EU-Gemüse
Importe wegen EHEC gestoppt / Hohe Bedingungen für Aufhebung formuliert
Vier Bedingungen nannte Gennadi Onnischtschenko, Russlands oberster Amtsarzt und Verbraucherschützer, am Freitag für die Aufhebung des Einfuhrstopps von EU-Gemüse, den Russland tags zuvor beschlossen hatte. Der Erreger der Darmerkrankung müsse eindeutig identifiziert werden. Ebenso die Gründe für dessen epidemische Ausbreitung und deren Modalitäten. Geklärt werden müsse vor allem, ob die Übertragung auch durch Nahrungsaufnahme und Wasser möglich ist. Drittens verlangt Moskau den präzisen Nachweis, wo die Lebemsmittel verseucht wurden, und viertens, so Onnischtschenko, müsse Europa hieb- und stichfeste Beweise dafür liefern, dass die Behörden in den betroffenen Ländern die Lage unter Kontrolle hätten und die Epidemie deutlich rückläufig ist.
Am Donnerstag, als Russland seine Grenzen für Frischgemüse aller Art aus den EU-Staaten dicht machte und Händler anwies, bereits vorhandene Bestände aus den Regalen zu nehmen und zu vernichten, hatte die EU-Kommission in Brüssel die Maßnahmen als »unverhältnismäßig« kritisiert und die sofortige Rücknahme verlangt. Keine gute Begleitmusik für den in Kürze in Nischni Nowgorod stattfindenden Russland-EU-Gipfel und Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern – darunter auch westlichen –, die politische Hintergründe für den Importstopp vermuten.
Immerhin hat Russland die extrem rigiden Einfuhrbestimmungen der Sowjetunion für tierische und pflanzliche Erzeugnisse übernommen und diese bereits mehrfach gegen unbotmäßige Ex-Vasallen in Stellung gebracht. So stoppte Moskau 2005 wegen angeblicher Qualitätsmängel den Import moldawischer Weine und kurzzeitig auch den von Frischobst. Aus gleich fadenscheinigen Gründen verschwanden auch georgische Weine und sogar Mineralwässer aus russischen Supermärkten. Und Polens Widerstand gegen die Ostsee-Gaspipeline Nordstream, bei der Warschau als Transitland außen vor bleibt, konterte Moskau mit einem Einfuhrstopp für polnisches Fleisch. Mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Verhältnis zur gesamten EU.
Doch die umwirbt der Kreml inzwischen als »privilegierten Partner« für die Modernisierung der russischen Wirtschaft, ein Boykott stört da nur. Dass Russland sich dennoch zu diesem Schitt entschloss, hat daher mit echten Ängsten vor dem Überschwappen der Epidemie zu tun.
Dazu kommt, dass, anders als beim Einfuhrstopp für polnische Fleischprodukte, das Importverbot für EU-Gemüse keine Versorgungslücken reißt. Denn es geht um eher geringe Mengen. Zwar kaufen die Russen gern die billige und gute Tiefkühlkost eines polnischen Exporteurs (Hortex), der schon zu sozialistischen Zeiten einen guten Ruf hatte. Doch bei Frischgemüse und Obst greift Iwan Normalverbraucher lieber zu Sonnengereiftem aus Südrussland und den Ex-Sowjetrepubliken im Südkaukasus und in Zentralasien. Die letzten usbekischen Weintrauben und Granatäpfel gibt es auf Moskauer Bauernmärkten im Januar, die ersten Freilandtomaten von dort kommen schon im März. Im XXL-Format und mit dem für die Art typischen Geschmack und Duft. Westliche Verbraucher würden schon beim ersten Biss schwach. Wenn die standardisierungswütigen Beamten in Brüssel sie denn beißen lassen würden.
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