Georgien beschloss Lustrationsgesetz
Russland sieht darin »unfreundlichen Akt«
Auch Richter und Rektoren von Hochschulen, die diesem Personenkreis zuzurechnen sind, müssen ihre Ämter binnen eines Monats niederlegen. Andernfalls wird eine spezielle Kommission ihre Akten der Öffentlichkeit zugänglich machen. So jedenfalls sieht es das Gesetz vor, das Georgiens Parlament in der vergangenen Woche verabschiedete. Die Verordnung stellt überdies die Nutzung kommunistischer Symbolik unter Strafe und stellt sie auf eine Stufe mit faschistischen Symbolen.
Zwar wurde das Gesetz ohne Gegenstimmen und Enthaltungen verabschiedet, doch blieben mehrere Abgeordnete skeptisch, ob sich die Bestimmungen in der Praxis durchsetzen lassen. Überprüfungen würden oft schon daran scheitern, dass Akten aus der Sowjetära verschwunden sind oder vernichtet wurden.
Die »Durchleuchtung« (Lustration) ist eines der heikelsten Themen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Bisher gibt es nur in den baltischen Staaten und in Moldova verbindliche Regeln dafür. Zwar fordern auch in Russland Bürgerrechtler und die seit 2003 nicht mehr im Parlament vertretene »liberale« Opposition ein Lustrationsgesetz. Die Regierung und die in der Duma vertretenen Parteien befürchten jedoch, damit würden die Gräben in der seit dem Ende der Sowjetunion 1991 ohnehin tief gespaltenen Gesellschaft weiter vertieft.
Die Masse der Bevölkerung sieht das ähnlich. Auch ein Verbot kommunistischer Symbole würde heftige Proteste hervorrufen. Für die meisten aus der Fünfzig-plus-Generation waren die Jahre der Sowjetära die besten ihres Lebens. Wladimir Putin, damals Präsident, wusste daher die Nation hinter sich, als er 2001 die von Alexander Alexandrow komponierte Hymne der Sowjetunion mit geändertem Text zum neuen Staatslied Russlands machte. Auch dass die Streitkräfte wieder unter dem Banner mit Hammer und Sichel marschieren, das die Rotarmisten nach dem Sieg über Hitler auf dem Reichstag in Berlin hissten, fand allgemeine Zustimmung.
Entsprechend hoch schlugen die Wogen der Empörung daher über das georgische Lustrationsgesetz. Der Vizevorsitzende des Duma-Sicherheitsausschusses Michail Grischankow nannte es einen Beweis dafür, dass Tbilissi neuen Streit mit Moskau sucht. Auch Nikolai Charitonow, Abgeordneter der KPRF, sprach von einem »unfreundlichen Akt«, für den Georgiens Präsident Michail Saakaschwili persönlich die Verantwortung trage. Er wolle mit antirussischer Stimmungsmache von gravierenden innenpolitischen Problemen ablenken. Eine Woche zuvor hatten georgische Spezialeinheiten ein Meeting der Opposition, das Saakaschwilis Rücktritt forderte, mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst.
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