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Portugal nun in rechter Not

Konservative werden künftig auch das ärmste Land Westeuropas regieren

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.
»Dies ist meine Niederlage.« Mit diesen Worten übernahm ein geschlagener José Sócrates am Sonntag die Verantwortung für das Debakel seiner Sozialistischen Partei (PS) bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Portugal.

José Sócrates, seit dem 12. März 2005 Ministerpräsident Portugals, trat in Lissabon vor seine enttäuschten Anhänger und zog die Konsequenzen aus dem schlechtesten Wahlergebnis der Sozialisten seit mehr als 20 Jahren. Mit 28,1 Prozent der Stimmen blieb sie noch hinter den schlimmsten Prognosen zurück. 2005 war Sócrates mit einer absoluten Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt worden.

Mit geröteten Augen und sichtlich berührt legte der 53-jährige den Parteivorsitz nieder. »Ich glaube, die Zeit für einen neuen politischen Zyklus in der PS ist gekommen.« Er selbst will keine politischen Ämter mehr bekleiden und wird auch dem neuen Parlament nicht angehören. Obwohl demnach Politrentner, versprach Sócrates, die PS werde ihre Stimmen in den Dienst Portugals stellen, und deutete damit Bereitschaft zu Verfassungsänderungen an, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. »Diese Zeiten fordern von uns Verantwortlichkeit, Dialog und Übereinkünfte.«

Mit »diesen Zeiten« umschrieb er schamhaft die schwere Krise, in der Portugal kürzlich EU-Nothilfe in einer Höhe von 78 Milliarden Euro beantragen musste und für die er die Quittung der Wähler erhielt.

Derweil feierten die Anhänger der rechten Sozialdemokratischen Partei (PSD) bereits ausgelassen ihren Wahlsieg. Der 46-jährige konservative Ökonom Pedro Passos Coelho wird Portugals neue Regierung führen. Auf seine PSD entfielen 38,7 Prozent der Wählerstimmen – fast 10 Prozentpunkte mehr als im Jahre 2009. Mit 105 Sitzen fehlen ihr nur 11 Mandate an der absoluten Mehrheit. Und da der traditionelle Koalitionspartner der PSD – das Demokratisch-Soziale Zentrum/Volkspartei (CDS-PP) – mit 11,7 Prozent und 24 Sitzen sein bestes Ergebnis seit 28 Jahren einfuhr, verfügt die künftige Regierung über ein ausreichendes Polster. PP-Chef Paulo Portas erklärte: »Wir sind bereit für eine stabile Mehrheit in den kommenden vier Jahren.« In der neuen Koalition müssten freilich die »Politik und die Ziele der CDS-PP mehr Bedeutung erhalten«. Mehrere Kommentatoren gaben zwar zu bedenken, ob Portugal in »diesen Zeiten« mit einer großen Koalition aus PSD und PS nicht besser fahre, doch Coelho erteilte solchen Überlegungen bereits eine Absage.

Der künftige Regierungschef will vor allem »das Vertrauen der Märkte« und des Auslands zurückgewinnen, um eine Staatspleite zu vermeiden. Er kündigte an, das harte Sparprogramm zu verwirklichen, das die EU, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) Portugal als Preis für ihre Nothilfe aufgezwungen haben. Schon die Sparpakete der PS hatten das Land zurückgeworfen in die Rezession. Wegen steigender Zinslasten, Sozialkosten und Steuerausfälle konnte das Haushaltsdefizit nur geringfügig auf 9,1 Prozent gesenkt werden. Wird stärker gespart, fällt Portugal wie Griechenland noch tiefer in die Rezession. Die Arbeitslosigkeit – derzeit bei 13 Prozent – wird weiter steigen. Coelho verlangte jedenfalls eine »große Dosis Mut und Geduld«, damit das Land in »zwei oder drei Jahren« wieder prosperieren könne.

Zweifelsohne stehen den Portugiesen harte Zeiten bevor. Die Proteste gegen Privatisierungen, Entlassungen und Einschnitte ins Sozialsystem werden zunehmen. Wie groß der Unmut schon jetzt ist, wurde am Sonntag vor allem daran deutlich, dass nie zuvor so wenige zur Parlamentswahl gingen. Mehr als 41 Prozent der 9,6 Millionen Stimmberechtigten blieben zu Hause, weil sie das Vertrauen in die Parteien verloren haben.

Auch den Linken, die sich gegen die Kürzungsorgien der Regierung gewandt hatten, gelang es nicht, Zehntausenden unzufriedenen jungen Leuten Hoffnung einzuflößen. Zwar zogen sowohl das Wahlbündnis von Kommunisten und Grünen (CDU) als auch der Linksblock (Bloco de Esquerda) wieder ins Fünf-Parteien-Parlament ein, doch ihre Erwartungen erfüllten sich nicht. Die CDU verbuchte mit 7,9 Prozent immerhin noch einen winzigen Stimmengewinn von 0,08 Prozentpunkten (16 Mandate). Der »Bloco«, der als »verantwortungsvolle Linke« für eine Parlamentsmehrheit unter Einschluss des linken PS-Flügels geworben hatte, fiel von 9,8 Prozent im Jahre 2009 auf 5,2 Prozent und acht Mandate zurück – faktisch das Ergebnis von 2005.

Anfang April hatten sich Kommunisten und Linksblock – zuvor fast unversöhnlich – zu einer ersten Beratung getroffen und weitere Gespräche über die Kooperation im Parlament vereinbart. In Portugal täte solche Zusammenarbeit wohl dringend Not.

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