Allianz zwischen DGB und BDA am Ende
DGB-Bundesvorstand beschloss den Ausstieg aus der gemeinsamen Initiative zur Regelung der Tarifeinheit
»Das politische Ziel der Tarifeinheit ist und bleibt richtig, um die Tarifpolitik zu stärken und die Tarifautonomie sicherzustellen. Der DGB sieht allerdings unter den gegebenen Bedingungen keine Möglichkeit, die Initiative von BDA und DGB weiterzuverfolgen.« Mit zwei knappen Sätzen beschloss der DGB-Bundesvorstand gestern in Berlin seinen Ausstieg aus der Initiative zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit. Das Bündnis zwischen Gewerkschaftsbund und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) hatte ein Jahr lang für scharfe Debatten gesorgt. Vor zwei Wochen hatte sich bereits der ver.di-Gewerkschaftsrat von der Initiative verabschiedet.
Was war geschehen? Im Juni 2010 kippt das Bundesarbeitsgericht das seit Jahrzehnten gültige Prinzip »Ein Betrieb – ein Tarifvertrag«. Seither können mehrere Tarifverträge in einem Betrieb gelten. Die BDA befürchtet permanente Tarifauseinandersetzungen und Dauerstreiks. Die DGB-Gewerkschaften fürchten eine Zersplitterung der Tariflandschaft und damit eine Schwächung der Gewerkschaftsbewegung. Man trifft sich also auf Chef-Ebene und schmiedet eine Allianz für ein Gesetz zur Tarifeinheit. Künftig soll nach Mehrheitsprinzip tarifiert werden: Die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb schließt den Tarifvertrag ab, die anderen sind gesetzlich zur Friedenspflicht verdonnert.
Die Bundeskanzlerin versprach im Herbst Regelung binnen Jahresfrist. Passiert ist seitdem wenig. Das Thema wurde mehrfach von der Tagesordnung des Koalitionsausschusses gekegelt und zudem zwischen den beteiligten Ministerien hin- und hergereicht. Es werde weiter geprüft, hieß es gestern aus dem Arbeitsministerium.
Bei ver.di passierte mehr. Bundesvorsitzender Frank Bsirske hatte die Rechnung offenbar ohne die Basis gemacht, denn die muckte gehörig auf. Fachgruppen und Landesverbände sprachen sich gegen die Regelung aus. Es drohe ein Eingriff in Streikrecht und Koalitionsfreiheit, so die Kritiker. Im ver.di-Beschluss vor zwei Wochen lehnte die Mehrheit der Delegierten »jede gesetzliche Regelung der Friedenspflicht« ab. Während die Tarifeinheit die Konkurrenz von den Berufsgewerkschaften einschränken sollte, drohte der Schuss in Betrieben, in denen ver.di in der Minderheit ist, nach hinten loszugehen. Besonders in der JournalistInnenunion dju in ver.di gab es diese Befürchtung. In vielen Redaktionen hat der Journalistenverband DJV mehr Mitglieder.
Zu den »gegebenen Bedingungen«, von denen im DGB-Beschluss die Rede ist, gehört also die ver.di-Wende – ohne die zweitgrößte DGB-Mitgliedsgewerkschaft macht die Initiative wenig Sinn. Auch die politischen Rahmenbedingungen dürften entscheidungsleitend gewesen sein: Die FDP sprach sich gegen das Gesetz aus, Teile der Union ebenfalls, und die Tatenlosigkeit der Bundesregierung tat sicher ihren Teil dazu.
Der Vorsitzende der dbb tarifunion Frank Stöhr begrüßte die Entscheidung des DGB. »Heute ist ein guter Tag für den Erhalt der Tarifautonomie und damit für die Beschäftigten in Deutschland«, sagte er am Rande einer dbb-Tagung. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion, Peter Weiß, nannte den Beschluss »bedauerlich«. In neue Gespräche müssten nun auch die nicht im DGB organisierten Gewerkschaften einbezogen werden. BDA-Präsident Dieter Hundt forderte die Bundesregierung auf, den Bekenntnissen pro Tarifeinheit endlich gesetzgeberische Schritte folgen zu lassen.
Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, sagte, »der Rückzug des DGB von der gemeinsamen Initiative zur Tarifeinheit ist ein kluger Schritt zum Erhalt des Streikrechtes. Der Grundsatz ›Ein Betrieb, Eine Gewerkschaft‹ der DGB-Gewerkschaften bleibt somit eine politische Frage und keine des Gesetzgebers.«
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