»Das geht schneller«
Ein Antrag der Linksfraktion im Bundestag fordert Atomausstieg bis 2014 und Sozialtarife für Geringverdiener
Benötigt Deutschland wirklich noch elf Jahre, um den endgültigen Atomausstieg zu bewältigen? Die Bundesregierung plant, den letzten Meiler im Jahre 2022 vom Netz zu nehmen. »Das geht schneller«, glaubt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann. Ihre Fraktion wird dem Bundestag am Freitag einen Antrag vorlegen, der einen »konkreten Ausstiegsplan« bis Ende 2014 vorsieht. Das Szenario sei realistisch, so Enkelmann. Schließlich beruhe es auch auf einer entsprechenden Studie des Sachverständigenrates für Umweltfragen, dem offiziellen Beratungsgremium der Bundesregierung.
Laut Antrag der Linksfraktion sollen die sieben ältesten Atomkraftwerke »sofort und auf Dauer« stillgelegt werden. Zudem sollen das in einem Erdbebengebiet liegende AKW Neckarwestheim sowie die Meiler B und C in Gundremmingen »sofort« abgeschaltet werden. Die Planungen der Bundesregierung sehen jedoch vor, das Risiko-Kraftwerk Neckarwestheim bis 2022 am Netz zu lassen. Auf Nachfrage der energiepolitischen Sprecherin der Linkfraktion, Dorothée Menzner, ließ Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) wissen, dass er hier trotz Erdbebengefahr keinen Handlungsbedarf sehe. Nach dem Szenario der LINKEN könnten mit Isar 2 und Emsland die beiden letzten deutschen Meiler bereits 2014 vom Netz gehen. Die Bundesregierung hat es da nicht ganz so eilig und gönnt den Stromkonzernen acht Jahre mehr. Viel Zeit also, um den Ausstieg eventuell noch einmal zu kippen. »Haben die Menschen Fukushima erst einmal vergessen, kann der nächste Ausstieg vom Ausstieg erfolgen«, befürchtet Dorothée Menzner. Deshalb sieht der Antrag der LINKEN auch vor, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern. Mit Zweidrittelmehrheit könnten Bundestag und Bundesrat eine solches »Verbot der Nutzung von Atomenergie und Atomwaffen« in der Verfassung festschreiben. Minister Röttgen lehnt diesen Vorstoß ab, weil es künftige Mehrheiten im Bundestag in ihrer Entscheidung binde. Eine merkwürdige Argumentation, die Menzners Befürchtungen neue Nahrung gibt: »Ganz im Interesse der vier großen AKW-Betreiber versucht die Bundesregierung, beim Atomausstieg noch eine Hintertür offen zu lassen.«
Die LINKE will nicht nur einen schnelleren Ausstieg, sondern auch die »Strompreisentwicklung sozial gestalten«. Demnach soll eine noch einzurichtende »Markttransparenzstelle« den Strommarkt überwachen. Eine »verbindliche Einführung von Sozialtarifen« könnte Geringverdiener und Arbeitslose bei den Stromkosten spürbar entlasten. Dahinter steckt die Befürchtung, dass die Konzerne den Atomausstieg nutzen, um kräftig an der Preisschraube zu drehen. Dabei wachsen Arbeitslosen die Stromkosten schon jetzt über den Kopf. Einer aktuellen Erhebung des Strom-Vergleichsportals CHECK 24 zufolge, müssen Hartz-IV-Bezieher bis zu 35 Prozent mehr für Strom zahlen, als hierfür in den Regelleistungen vorgesehen ist. »In keinem Bundesland reicht der Hartz IV-Anteil für Strom aus, um für die durchschnittlich anfallenden Stromkosten aufzukommen«, so die Autoren des Vergleichsportals.
IPPNW kritisierst Gesetzentwurf
Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW fordert in einem
Offenen Brief an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und
-parteien, »das geplante ›Atom-Ausstiegsgesetz‹ sicherheitstechnisch so
zu begründen, dass ein Kostenrisiko für die Steuerzahler ausgeschlossen
wird.« Die bisherige Begründung könne »rechtlich gesehen als freundliche
Einladung an die Atomkraftwerksbetreiber für Entschädigungsklagen
gewertet werden«. Unter anderem wird in dem Schreiben darauf
hingewiesen, dass nicht, wie zu erwarten wäre, »aus der Stellungnahme
der Reaktor-Sicherheitskommission Passagen wiedergegeben werden, aus
denen Sicherheitsmängel der deutschen Atomkraftwerke erkennbar werden«,
sondern »den Anlagen ein hohes Sicherheitsniveau bescheinigt«
wird.
IPPNW kommt zu dem Schluss: »Da fehlender
Sachverstand hierbei nicht zu unterstellen ist, stellt sich die Frage,
ob dieser Gesetzentwurf den vorsätzlichen Versuch darstellt, den
Steuerzahlern ein erhebliches Kostenrisiko aufzubürden und ob
diesbezüglich heimliche Absprachen mit den Betreibern bestehen.«
Dabei bestehe nach Meinung der Ärzteorganisation
»problemlos die Möglichkeit, die Stilllegung der deutschen
Atomkraftwerke so zu begründen, dass jegliche Entschädigungsdrohungen
der Betreiber von vornherein ins Leere laufen. Eine solche Begründung
sollte das gesamte Störfall- und Ereignisspektrum einschließlich der
Frage der Beherrschbarkeit eines Kernschmelzunfalls in den Blick nehmen
und beispielsweise auch auf zunehmende Alterungserscheinungen der
Anlagen und grundsätzlich auf brisante Vorkommnisse der vergangenen
Jahre verweisen. Auch sollte natürlich eine ›Neubewertung der
Kernenergie‹ explizit erfolgen.« ND
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