Leipzig stellt Weichen auf Ausstieg

Einer von mehreren heiklen Leasing-Verträgen wurde gekündigt – doch Restrisiken bestehen fort

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Stadt Leipzig hat einen der Verträge zum Cross-Border-Leasing gekündigt, mit dem das Schienennetz an USA-Investoren ging. Bundesweit steigen immer mehr Kommunen aus solch heiklen Geschäften aus. In der Regel bleiben aber Risiken bestehen.

Die Schienen und Weichen, auf denen Leipzigs Straßenbahnen rollen, gehören wieder der Stadt. Ein Vertrag, mit dem das gesamte Netz vor neun Jahren an einen US-Investor übertragen und von diesem durch die Stadt zurückgemietet worden war, wurde »fast vollständig aufgelöst«, wie SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung gestern sagte. Die Risiken, die mit dem Vertrag verbunden waren, seien, wie er anfügte, »wesentlich minimiert« worden.

Der Steuervorteil lockte

Dass es solche Risiken gab, wurde von den Verwaltungen selten betont, als sich Leipzig und andere deutsche Großstädte ab Mitte der 90er Jahre in Abenteuer unter der Überschrift Cross-Border-Leasing (CBL) stürzten. Etwa 50 Kommunen und Zweckverbände verpachteten Straßenbahnen, Kläranlagen, Messehallen und andere Einrichtungen an US-Investoren und mieteten sie sofort zurück. Beide Partner schöpften dabei einen Steuervorteil ab; die Kommunen kassierten einen »Barwertvorteil« in Millionenhöhe. Etwa 150 Transaktionen kamen zustande, sagt der Publizist Werner Rügemer. Das Volumen bezifferte das Leibniz-Institut für Länderkunde auf 50 Milliarden Dollar. Vorreiter war neben Düsseldorf vor allem Leipzig, wo sieben Verträge zustande kamen.

Kritiker warnten schon damals vor den Gefahren der Konstrukte, die US-Behörden als »fiktive Geschäfte ohne ökonomische Substanz« bezeichneten. Beteiligt waren in der Regel sechs Banken und Berater, die bezahlt werden wollten; die dicken, komplexen und in Englisch verfassten Verträge konnte kaum ein Stadtrat prüfen. Es bedurfte aber erst einer Kehrtwende der US-Behörden und einer Weltfinanzkrise, bis die Kommunen in Deutschland kalte Füße bekamen. Seit 2004 wird der Steuervorteil in den USA nicht mehr gewährt, so Rügemer: »Nun ziehen sich Investoren zurück.« Die Krise zeigte zudem Risiken der Geschäfte für Kommunen, die bei Problemen beteiligter Banken auf eigene Kosten Ersatz finden müssen.

Inzwischen versuchen Kommunen bundesweit, aus den CBL-Verträgen auszusteigen, die eigentlich über mindestens 30 Jahre laufen. Halle (Saale), wo man nach dem Leipziger Vorbild handelte, hat inzwischen offenbar drei von vier Verträgen abgewickelt. Informationen über die Gesamtzahl in der Bundesrepublik gibt es nicht, sagt Rügemer. Teils dringen Informationen nicht an die Öffentlichkeit, in anderen Fällen sei es »keine Totalabwicklung«, weil Banken an Krediten festhalten. Beim Leipziger Schienennetzes bleibt ein Kredit über 79 Millionen Dollar offen.

Das Geld für die Berater

Eine Bilanz der einst heiß umstrittenen Verträge lässt sich nicht nur wegen derlei fortbestehender Verpflichtungen kaum ziehen, so Rügemer. Offiziell zögen die Kommunen meist ein positives Resümee. Leipzigs OB erklärte, man habe den »Barwertvorteil« von 25 Millionen Dollar, der mit dem 722- Millionen-Geschäft verbunden war, erhalten und für Investitionen genutzt; daneben habe man für die vorfristige Auflösung »nahezu keine Kosten« gehabt. Rügemer bleibt skeptisch. Es müsse geprüft werden, aus welchen Haushaltsposten Berater bezahlt und andere Kosten beglichen würden. Meist unterliege die Aufkündigung der Verträge »noch größerer Geheimhaltung« als deren ursprünglicher Abschluss.

Richtig schiefgegangen ist nach Angaben Rügemers ein CBL-Geschäft am Bodensee, wo Trinkwasseranlagen veräußert wurden, bei der Rückabwicklung hohe Zahlungen fällig geworden seien und nun die Wasserpreise stark stiegen. Im Fall Leipzig blieb der große Krach aus; allerdings bestehen CBL-Verträge für das Krankenhaus St. Georg, die Messe sowie das Trink- und Abwassernetz fort. Vor voreiliger Erleichterung kann Rügemer daher nur warnen: »Die Sache ist längst nicht beendet.«

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