Der Traum vom Königmachen
Bayerns Freie Wähler wollen mit der nächsten Landtagswahl in eine Schlüsselposition gelangen und auch im Bund mitmischen
München. Zweieinhalb Jahre nach ihrem Einzug in den Landtag sieht Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger sich und die Seinen vor einer ganz großen Zukunft. Die Aiwanger-Vision: In Bayern werden die Freien Wähler nach der Landtagswahl 2013 die Schlüsselrolle besetzen und sich aussuchen können, ob sie mit Rot-Grün oder der CSU regieren. Und bundesweit will Aiwanger die Freien Wähler als Alternative zur Union etablieren. Denn CDU und CSU haben aus seiner Sicht abgewirtschaftet.
CSU: Gefährlicher Populist
An Aiwanger scheiden sich die Geister: Er selbst hält sich und die Freien Wähler für die beste Alternative zur CSU und allen anderen Parteien, die CSU hält ihn für einen Populisten, die SPD umwirbt ihn. »Ich beurteile unsere Zukunftsaussichten äußerst positiv«, sagt Aiwanger. »Wir werden bei der Landtagswahl 2013 im Vergleich zu unserem Ergebnis von 2008 noch zulegen, ich gehe von einem zweistelligen Ergebnis aus.« Die Gesamtkonstellation komme den Freien Wählern entgegen: »Die CSU verliert weiter an Glaubwürdigkeit, sie hat es nicht geschafft, wieder Wähler zu binden. Die FDP wird rausfliegen.«
Im Landtag fühlen sich die Freien Wähler oft ungerecht behandelt – vor allem von der CSU, aber auch von den anderen Fraktionen und der Presse. Viele Angeordnete der anderen vier Parteien werfen den Freien Wählern vor, sie hätten keine Inhalte, keine Konzepte, keine einheitliche Linie, seien nur auf populäre Themen aus. Aiwanger ist gegen Atomkraft und für die Stärkung des ländlichen Raums, für mehr Hausärzte und gegen Wölfe in den bayerischen Alpen.
»Aiwanger ist ein gefährlicher Populist, dessen hinterfotzige Art zu reden und zu formulieren mir immer wieder einen Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt«, sagt Alexander König, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Landtag. »Ansonsten sind die Freien Wähler plan- und ziellos und ein völlig inhomogener Haufen enttäuschter Individualisten.«
Doch Aiwanger argumentiert, dass die Freien Wähler sich im Gegensatz zur CSU nicht ständig korrigieren müssten. »Wir Freien Wähler sind thematisch goldrichtig aufgestellt. Die CSU muss eine Stellung nach der anderen räumen – wir nicht.« Alle Themen, die die Freien Wähler seit Jahren verträten, kämen zum Durchbruch: die Stärkung strukturschwacher Räume, eine moderne Bildungspolitik, der Ausbau des schnellen Internet, das Nein zu Megaprojekten wie dem Donau-Ausbau und der dritten Startbahn, die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft, die Stärkung des öffentlichen Dienstes, der Polizei und der Hausarztversorgung auf dem Land.
SPD: Ein guter Typ
»Wir haben keines unserer Themen über Bord werfen müssen«, sagt Aiwanger. Die Freien Wähler kämen aus der bürgerlichen Mitte, seien aber in vielen Themen moderner als die CSU. Aiwangers Kalkül: Die Freien Wähler sollen so sehr die Mitte verkörpern, dass sie für alle wählbar sind. »Das ist unser Vorteil. Man muss nicht grün wählen, um aus der Atomenergie auszusteigen und diese Zukunftsthemen zu besetzen.«
Viele Abgeordnete von SPD und Grünen halten dagegen, dass die Freien Wähler eigentlich gar kein originäres Thema hätten, mit Ausnahme der Kommunalpolitik. Doch das offizielle Urteil der SPD fällt anders aus – denn die Sozialdemokraten brauchen Aiwanger als Bündnispartner, wenn sie jemals die CSU aus der Regierung vertreiben wollen. »Hubert Aiwanger ist ein guter Typ«, sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Er will Aiwanger möglichst fest auf seine Seite ziehen: In einer Koalition mit der CSU würden die Freien Wähler noch mehr leiden als die FDP, sagt Rinderspacher voraus. »In einer Regierung mit der CSU würde von den Freien Wählern nur freier Feinstaub übrig bleiben.«
Doch Aiwanger lässt sich davon nicht beirren: Er will die Freien Wähler in die Bundespolitik führen, obwohl es dagegen großen Widerstand bei den FW-Kollegen in Baden-Württemberg gibt. »Ich gehe davon aus, dass wir 2013 bei der Bundestagswahl antreten und eine bürgerliche Alternative bieten. Ich halte bei der Bundestagswahl in Bayern fünf bis zehn Prozent für erreichbar, die CSU wird unter vierzig Prozent landen«, prophezeit er. »Bisher haben wir zwei Drittel der Landesverbände hinter uns versammelt. Ich hoffe, dass wir bis Ende dieses Jahres mit einer Stimme sprechen.«
Tiefe Gräben
Und Bayern? »Für die Landtagswahl 2013 gehe ich davon aus, dass wir das Zünglein an der Waage sein werden. Wir werden bestimmen, wer regiert.« Aiwanger will die sozialdemokratischen Wünsche nicht erfüllen und sich alle Optionen offen halten. »Es ist durchaus nicht fix, dass wir mit Rot-Grün zusammengehen. Es kann durchaus auch möglich sein, dass wir mit vernünftigen Leuten in der CSU verhandeln.«
Die Gräben zwischen Freien Wählern und der CSU seien aber relativ tief. »Die CSU behandelt uns ebenso wie die FDP von oben herab. Die CSU versucht, uns lächerlich zu machen und aus dem Weg zu räumen. Vielleicht würde es der CSU ganz gut tun, wenn sie einmal auf den Oppositionsbänken sitzen müsste.« Das, findet Aiwanger, »wäre mit Sicherheit nicht schlecht für die bayerische Demokratie.« Für die CSU wäre es ein Albtraum.
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