Ein Tag der Trauer und Erinnerung

Fragen an Igor Maximytschew

  • Lesedauer: 2 Min.

ND: Der Große Vaterländische Krieg ist in der Sowjetunion stets groß gedacht worden. Wie steht es heute darum?
Igor Maximytschew: Er bleibt das bedeutendste Ereignis der neueren russischen Geschichte, vielleicht der Geschichte Russlands insgesamt. Wäre der Kriegsausgang anders gewesen, gäbe es jetzt keine Russen auf dem Planet. Der 9. Mai ist der Hauptfeiertag der Nation; nichts kann sich mit ihm vergleichen. Der 22. Juni – der Tag, an dem 1941 der Krieg in unser Land gekommen war – ist kein Feiertag, sondern Erinnerungs- und Trauertag für unsere Millionen Gefallenen.

Wie kommt es, dass in Russland Neonazis ihr Unwesen treiben können?
Das wird vorsätzlich aufgebauscht. Schon der Begriff »Neonazis« taugt nichts, da es in Russland nie »richtige Nazis« gab. Natürlich muss man das Gebot beachten: Währet den Anfängen! In gesellschaftlichen Umbruchsituationen, und Russland durchlebt immer noch eine solche, blühen Extremistenkreise, rechts wie links. Die russische Polizei ist durchaus imstande, deren Umtrieben ein Ende zu bereiten. Warum die Russophobie so beliebt im integrierten Europa ist, weiß ich nicht. Die Zukunft des Kontinents hängt vom guten Einvernehmen aller europäischen Völker ab.

Wie werten Sie die deutsch-russischen Beziehungen?
Sie sind freundlich, kooperativ und vor allem entwicklungsfähig. Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten – auch innerhalb beider Länder. Das entscheidende ist, dass diese die Vertrauensatmosphäre nicht stören. Die russische Öffentlichkeit schätzt die Position, die Deutschland im Falle Libyen einnahm. Die deutsche Beteiligung an der wirtschaftlichen Modernisierung Russlands wird begrüßt, obwohl sie sich noch im bescheidenen Rahmen bewegt.

Die Welt ist nicht friedlicher. Lernen die Menschen nichts aus ihrer Geschichte?
Ich bin ein historischer Optimist und der Überzeugung, man muss und kann aus der Geschichte lernen. Dafür aber hat man die Geschichte zu kennen, wie sie sich wirklich ereignete, nicht das Geschichtsgerippe, das man nach Tagesbedarf konstruiert.

Der Diplomat präsentierte jüngst in Berlin sein neues Buch »Fall der Berliner Mauer. Aus Tagebuchnotizen des sowjetischen Gesandten in Berlin«. Fragen: K. Vesper

Foto: Nowosti

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